Gestatten: Mein Kopfkino

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photo credit: daniel.stark via Flickr cc

Lieber Leser, heute möchte ich dir jemandem aus meinem Leben vorstellen, von dem ich selbst nicht genau weiß, wie ich zu ihm stehe: Mein Kopfkino.

Im Gegensatz zu vielen anderen Komponenten meines Lebens ist mein Kopfkino unberechenbar und schwer zu steuern. Mal reicht ein kurzer Gedanke, ein Geruch, ein Geräusch oder auch nur eine Bewegung aus und meine Gedankenwelt versinkt in ihm. An anderen Tagen ist es so gut getarnt, dass ich vergesse, dass es da ist. Aber es ist da, und es kommt immer wieder. Meist dann, wenn ich nicht damit rechne. Dann gleich einige Tage am Stück, oft begleitet von Vorfreude oder Nachfreude.

Was genau ist eigentlich mein Kopfkino? Für mich ist es ein Film von meist BDSM-orientierten Handlungen, der plötzlich startet und auch schnell wieder abflauen kann. Im Gegensatz zu den Tagträumereien, die ich bewusst hervorrufen kann, kommt das Kopfkino gefühlt aus dem Nichts. Die Gedanken laufen schneller als beim Tagträumen, das bewusste Antreiben meinerseits ist nicht mehr nötig. Es ist eine Art Gedankenfluss.

Interessant finde ich, wie sich mein Kopfkino im Lauf eines Tages entwickeln kann. Tagsüber bzw. wenn ich wach bin, laufen in etwa meine gewöhnlichen Fantasien ab. Kurz vorm Einschlafen werden die Szenarien krasser, enthalten Dinge, die ich sonst nie in Erwägung ziehen würde und fühlen sich in diesem Moment auch richtig an. Sie sorgen aber auch dafür, dass ich dem Kopfkino immer etwas scheu oder misstrauisch gegenüber stehe, weil es mich auf einmal Dinge gut finden lässt, die mir sonst nicht gefallen.

Ich finde es allgemein sehr ungewohnt, auf einen Bereich in meinem Leben keinen Einfluss zu haben. Schließlich beeinflusse ich meine Ernährung und damit mein Körpergefühl, meine Gedanken und damit den ganzen Rest, aber mein Kopfkino überrumpelt mich immer wieder. Das ist trotz allem aber extrem faszinierend – wie irgendein archaisches Überbleibsel oder eine Art Instinkt, das sich plötzlich einen Weg durch die sonst eher geordneten Gedanken schlägt und an die Oberfläche gelangt. Und natürlich bin ich ihm nicht hilflos ausgeliefert, weil eine mögliche Umsetzung dieser Erlebnisse auf einem völlig anderen Blatt bzw. meist sowieso nicht zur Debatte steht. Deshalb will ich eigentlich auch nichts dagegen machen, auch wenn es natürlich in vielen unpassenden Momenten zuschlägt: Es ist ein extrem instinktiver Teil von mir selbst und ich schaue gern zu (und fühle mit).

Ähnlich wie bei Träumen vergesse ich viel relativ schnell, was im Kopfkino passiert. Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist oder warum überhaupt so. Gut insofern natürlich, dass ich ähnliche Geschehnisse jedes Mal aufs Neue mit derselben Lust durchleben kann. Schlecht nicht wirklich, eher schade, dass ich mich nicht erinnern kann. Wahrscheinlich könnte ich gegensteuern, indem ich es mir aufschreibe oder versuche, mich bewusst daran zu erinnern. Solange ich das nicht mache, wird das Kopfkino wohl immer ein unerwarteter, aber nicht unwillkommener Gast sein, der sich nicht darum schert, was ich gerade mache oder nicht, sondern ohne Hemmungen meinen Alltag aufpimpt und mich dazu bringt, meine Gedanken auf mich zu richten.