Die Regeln der Lust

Triff dich mit einem Blind Date aus dem Internet nur an einem öffentlichen Ort.

Sag Bescheid, wann und wo du dich mit jemandem triffst, den du nicht kennst.

Trink keinen Alkohol. Nimm keine Drogen.

Was nach Verhaltensregeln von Mama klingt, sind Verhaltensregeln, die plötzlich wieder aktuell werden, sobald man BDSM betreibt. Weil das irgendwie gar nicht so einfach ist mit BDSM und Sicherheit. Interessanterweise merkt man oft erst im Gespräch mit Nicht-BDSMlern, wie sehr man diese Verhaltensweisen angenommen hat bzw. wie selbstverständlich sie geworden sind.

Das Prinzip Safewort

Spielen mit Safewort* ist so ein Beispiel. Das heißt nicht, dass meine Safewörter ständig zum Einsatz kommen. In festeren (Spiel-)Beziehungen ist das – zumindest bei mir – sowieso recht selten der Fall, weil ich hier zum Teil nicht mal eines habe. Aber gerade in der Anfangsphase, wenn man sich noch nicht gut kennt, oder wenn man auf einer Party spielt, wo womöglich auch die Geräuschkulisse einen Teil der Untertöne abfängt, verwende ich es regelmäßig. Es ist auch nicht schlimm, sondern lediglich das Zeichen, dass gerade etwas nicht stimmt, eine Grenze erreicht ist oder ich eine Pause brauche. Und im Gegensatz zu „Aua“ und „Nein“ eben eindeutig, wodurch beide Seiten eine zusätzliche Absicherung haben, dass nur im gewünschten Rahmen gespielt wird.

Das Prinzip Covern

Genauso kommt es vor, dass ich spontan Anrufe von Freundinnen kriege, die mir einen Namen und eine Adresse mitteilen, zusammen mit der Info, wann sie sich wieder bei mir melden. Natürlich gibt es auch dafür einen hübschen Begriff, nämlich Covern**. Ist so eine Sache, bei der einem die ersten Male auch als Cover etwas mulmig ist, aber insgesamt verringert es die Bedenken auf beiden Seiten. Also auf Seite desjenigen, der sich covern lässt, weil er weiß, dass jemand auf ihn aufpasst, sowie auf der Seite desjenigen, der covert, weil man damit weiß, dass die eigenen Freunde keinen Scheiß bauen, indem sie sich einfach so mit Wildfremden treffen.

Übrigens finde ich nichts angenehmer als gemeinsame Bekannte. Dann kann man nämlich die Bekannten schon vorab oder auch nach einem Treffen fragen, wie sie die andere Person einschätzen und bekommt eine zweite, unabhängige Meinung – was v.a. dann von Vorteil ist, wenn man schnell Gefühle entwickelt oder seinen Gefühlen nicht traut. Das ist natürlich immer mit Vorsicht zu genießen, weil jeder einen anderen Menschengeschmack hat, aber hilft trotzdem bei der grundsätzlichen Einschätzung.

Das Prinzip Informieren

Grundsätzlich sollte man nicht nur wissen, was man will, sondern auch, wie man es tut. Das betrifft zum einen den Verhütungsbereich, zum anderen den Technikbereich – beide schier unendlich. Und klar, der aktive Part ist im Technikbereich stärker gefragt als der passive, aber gewisse Grundkenntnisse sollten in beiden Rollen vorhanden sein. Einfach weil keiner alles wissen kann und es für beide sicherer ist, wenn auch der Partner Bescheid weiß – schließlich verursacht niemand absichtlich bleibende Schäden. Neben Internetrecherche kann ich hier Stammtische sehr empfehlen, weil es normalerweise erfahrene Leute gibt, die sich auskennen. Denn wenn es beispielsweise um Würgen geht, ist es besser, das mit oder unter der Aufsicht eines „Oldies“ mal kurz auszuprobieren als sich an einem dubiosen YouTube-Video zu orientieren. Man kann sich den Umgang mit der Gerte auch vor der Oper in aller Öffentlichkeit zeigen lassen … *räusper*

Das Prinzip Reden

Noch ’ne Weisheit: Reden hilft. Das ist ein Eingeständnis, das mir immer noch nicht ganz leicht fällt, weil ich es wahnsinnig schwierig finde, über private Dinge oder intime Vorlieben zu sprechen. Aber selbst ich kann nicht leugnen, dass es sinnvoll und sogar notwendig ist, vor einer intimen Begegnung über besagte Dinge zu sprechen. Nicht nur aus dem Grund, dass sonst versehentlich Grenzen überschritten werden, sondern allein schon deshalb, weil der Partner die Wünsche und Sehnsüchte von einem selbst nicht erraten kann. Und wenn man sie nicht kommuniziert, ist es pures Glücksspiel, ob die irgendwann mal umgesetzt werden. Ich erinnere mich, dass ich im Zuge dieses Erkenntnisprozesses mal eine Mail verschickt habe, die sinngemäß anfing mit „Du, ich weiß, dass ich dir das noch nie erzählt habe, aber es gibt da noch mehr Sachen, auf die ich so stehe …“

Das Prinzip Vernunft

Und überhaupt sollte man einfach seine grauen Zellen einschalten, wenn man was mit BDSM macht. Also keinen Alkohol trinken, bevor man sich fesseln lässt oder fesselt oder anderes Zeugs macht, wozu Koordination vonnöten ist, keine gefährlichen Spielarten mit Leuten machen, die man noch nicht näher kennt, und sich allgemein zu nichts drängen lassen, wo man kein gutes Gefühl dabei hat oder wozu man noch nicht bereit ist.

Das Positive an der Geschichte: Man gewöhnt sich schnell an diese „Regeln“. Und da man sie selbst für sinnvoll erachtet, macht es einem – im Gegensatz zur Jugendzeit, wo diese Regeln von elterlicher Seite kamen – nichts aus, sie einzuhalten. Nicht zuletzt ist ein Cover-Nach-Gespräch ein guter Anlass, um sich von der Freundin gleich alle wichtigen Details des Treffens erzählen zu lassen ;-).

 

* Ein Safewort wird während einer BDSM-Session dazu verwendet, zu signalisieren, dass etwas nicht stimmt. Je nach Vereinbarung bzw. Beteiligten wird dann langsamer gemacht, geredet oder abgebrochen. Es gibt übrigens eine Art Universal-Safewort, das auf vielen BDSM-Veranstaltungen verwendet wird: Mayday.

Wichtiger Hinweis, den ich aus eigener Erfahrung geben kann: Niemals den Namen eines Partners als Safewort verwenden, wenn man mit verschiedenen Partnern … *räusper*

** Covern macht man dann, wenn man sich mit einem Menschen trifft, den man bisher nicht oder nur kurz gesehen hat, und auf Nummer Sicher gehen möchte, dass er/sie/es kein Axtmörder o.ä. ist. Zuerst gibt man eine Info über Name, Ort des Treffpunkts, Pläne etc an die Person, die das Covern übernimmt, weiter. Zum vereinbarten Zeitpunkt ruft man sich dann an und erzählt, ob alles in Ordnung ist. Wenn das Telefonat nicht zustande kommt oder der „Aufpasser“ das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt, wird die Polizei verständigt. Es gibt auch Organisationen, die Cover vermitteln, z.B. die SMJG.