Rollenverteilung in BDSM-Sessions

Ich bin ein Fan klarer Ansagen. Soweit nichts Neues, das wird den meisten Menschen relativ schnell klar, sobald sie mich näher kennen lernen. Wenn diese Ansagen im Alltagsleben unklar sind, bin ich zwar nicht begeistert, aber komme gut damit klar, gleiche das aus oder forsche eben solange nach wie nötig. In einer BDSM-Session verhält sich das anders. Hier ist es mir wichtig, zu spüren, wer welche Rolle einnimmt. Und noch wichtiger, dass mein Gegenüber nicht aus der gewählten Rolle herausfällt.

Wenn die Session-Balance gestört wird

Ich lasse mich in der devoten Rolle gern fallen. Ich lasse los und erwarte – zugegeben, es hat auf den ersten Blick einen Anklang von Faulheit –, dass sich meine Partner*innen von diesem Moment an mit allen möglichen Problemen, die auf uns zukommen, befasst. Das ist ein Vertrauensbeweis, weil wenn ich der Person nicht vertrauen würde, würde ich erst gar nicht so weit abschalten. Diese Rolle müssen meine Partner*innen aber eben auch annehmen (wollen). Es gibt Menschen, für die es okay ist, mir im einen Moment entschieden einen Befehl zu erteilen und im nächsten Moment eine Bemerkung übers Wetter zu machen. Dürfen sie schon auch machen, aber wenn sie erwarten, dass ich in diesem Moment wie gewohnt auf die Bemerkung reagiere, dann wird diese Erwartung nicht erfüllt. Ich bin nämlich so in dieser eigenen Welt verhangen, dass ich zwar die Bemerkung und ihren Sinn nach wie vor korrekt interpretiere, aber einfach nicht „normal“ darauf reagieren kann. Dazu brauche ich dann eine konkrete Frage – weil auf Fragen Antworten geben ist ja wieder Teil der Session.

Das war jetzt der positivere Fall, wie man aus der Rolle fallen kann und es dem Spiel nicht schadet. Im negativeren Fall werde ich herausgerissen – das kann bei selbstironischen Bemerkungen der Fall sein, die mir zeigen, dass meine Partner*innen selbst gerade auf Distanz zu dieser Session gehen. Oder auch die Frage, was wir denn jetzt machen sollen. Beides ist ziemlich situationsabhängig: Man kann es jeweils hervorragend in ein Machtspiel einbauen. Wenn das aber nicht der Fall ist, falle ich raus aus der Situation. Mir geht es dann nicht schlecht, aber ich bin meist ein bisschen enttäuscht, dass ich wieder Kontrolle über Situation mit-übernehmen muss. Ein Teil des inneren Friedens ist dann weg.

Etwas anders verhält es sich meist bei Spielpausen, wenn man z.B. kuschelnd auf dem Sofa liegt. Da fällt mir der Wechsel um einiges leichter und ich kann recht problemlos wieder in die Standardrolle eines selbstständig agierenden Menschen wechseln.

Sich seine Rolle bewusst machen

Das mag jetzt alles etwas herausfordernd klingen. Ich finde es aber allgemein sinnvoll, wenn man sich die Rolle, die man einnimmt – denn wir nehmen immer automatisch eine Rolle ein –, bewusst macht. Je nach Rolle wird man anders wahrgenommen und Menschen reagieren unterschiedlich auf einen. Bin ich das unschuldige Mädchen oder der verführerische Vamp? Das unschuldige Mädchen zieht andere Partner*innen an als der Vamp. Und möglicherweise sind diese Partner*innen bei „Verfehlungen“ im ersten Fall eher geneigt, Rücksicht walten zu lassen, als im zweiten.

Wir haben also alle unsere Rollen. Natürlich kann man, wenn nötig oder wenn sich eine Rolle falsch anfühlt, diese auch mal wechseln. Aber im Normalfall erleichtert man es seiner Umwelt, einen einordnen zu können. Wenn man im einen Moment streng und im nächsten Moment nachlässig ist, ist das eine unklare Botschaft. Das mag jetzt ein bisschen wie Kindererziehung klingen, aber wird meiner Ansicht nach gerade in BDSM-Sessions oft unterschätzt. Konsequenz hat mit Vorhersehbarkeit zu tun und daraus bildet sich Vertrauen. Nicht dass genau immer dieselbe Strafe für dieselbe Provokation kommt. Sondern dass das Setting gehalten wird. Dass meine Partner*innen in ihrer Rolle auf das reagieren, das ich in meiner Rolle unternehme. Dass ich weiß, ich kann jetzt sein, wer ich bin, und es ist eine Person da, die sich kümmert. Den Raum hält, auch wenn das total esoterisch klingen mag.

Ich schildere das hier jetzt aus devoter Perspektive, aber bis zu einem gewissen Grad gilt das in beide Richtungen. Es ist wichtig, dass beide Partner*innen sich in ihre Rolle einfinden. Natürlich hat der dominante Part mehr Möglichkeiten und lenkt die Session, aber es ist trotzdem ein wichtiger Bestandteil, dass sich auch der devote Part auf die Session einlässt und nicht anfängt, plötzlich übers Abendessen zu reden. Man kann sich beim Einfügen in die Rollen gegenseitig auch gut unterstützen, weil sowohl in dominanter als auch in devoter Position viele kleine Möglichkeiten existieren, Signale an seine*n Partner*in zu senden: der beliebte Griff ins Haar, ein tiefer Blick in die Augen etc.

Wenn dieses Einlassen auf die Rollenverteilung nicht passt, reagiere ich mit zunehmender Erfahrung sensibel darauf. Zum Glück kann ich das mittlerweile ganz gut benennen, so dass ich das Thema oft im Vorgespräch zu einer BDSM-Session schon anspreche. Damit mache ich gute Erfahrungen und bin gespannt, welche neuen Erfahrungen sich mir damit noch eröffnen.