Gedanken zu Verbindlichkeiten

Frau mit rotem Schal

photo credit: Ben Raynal via Flickr cc

Seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken, ob es vielleicht ein Muster gibt, nach dem meine Beziehungen beendet wurden. Diese Gedanken gingen einher mit der Frage „Wie kann ich jemandem meine Wünsche und Erwartungen mitteilen, ohne dass er sich unter Druck gesetzt fühlt?“ Eine Person, die ich dies fragte, sagte mir dann: Vielleicht geht das gar nicht? An diese Option hatte ich bis dahin nie gedacht. Vielleicht liegt also ein Konflikt dahinter, an dem ich oder meine Beziehungspartnerinnen gar nicht schuld sein können? Wenn mir nun Situationen begegnen, die in meinen Beziehungen oft dazu geführt haben, getrennte Wege zu gehen, betrachte ich diese mit anderen Augen, weil ich nicht mehr ständig die Schuld bei mir oder anderen suche.

Sich unter Druck gesetzt fühlen

Inzwischen glaube ich, ein Großteil meiner Beziehungen ist an folgendem Konflikt zerbrochen: Ich brauche Verlässlichkeit. Wenn ich dann Wünsche oder Erwartungen an eine Person habe, kommuniziere ich diese, und möchte zuverlässige Zugeständnisse oder Verbindlichkeiten von meinen Partnerinnen. Bei vielen Partnerinnen hat allein diese Kommunikation schon dazu geführt, dass sie Druck verspürten. Denn sie hatten mich unheimlich lieb und wollten mir gerne meine Wünsche erfüllen. Aber kann man sowas denn versprechen?

Erst kürzlich hatten wir in meiner Gemeinschaft einen ähnlichen Fall und jemand stellte sinngemäß die Frage „Warum ist es so einfach, sich monatlich auf eine Miete zu einigen und diese zu bezahlen, aber sobald es um emotionale Sachen geht, ist es schwierig, Verbindlichkeiten einzugehen?“. Der eigene Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Fürsorge („Ich möchte mich verbindlich um andere kümmern“) und dem Bedürfnis nach Autonomie („Wie viel Verbindlichkeit tut mir gut?“) ist ein Thema, das sich nur schwer lösen lässt. Ich denke, das Problem hat aber noch eine weitere Dimension, die es kompliziert macht: Bei einer Ressource wie z.B. Geld, mit der man gut planen kann, kann man einfach Verbindlichkeiten eingehen. Emotionale Ressourcen sind jedoch bei den meisten Menschen vielen Schwankungen unterlegen: Sprich, ich könnte heute mich noch total gut damit fühlen, Verbindlichkeiten einzugehen, aber morgen merken, dass ich vielleicht doch zu viele Verbindlichkeiten eingegangen bin. In dem Fall in unserer Gemeinschaft kam noch hinzu, dass man auch nicht abschätzen konnte, wann und in welchen Intervallen oder Intensitäten die Fürsorge notwendig sein könnte. Es kann also sein, dass ich an einem Tag sehr viel Freiraum habe, mich um jemanden zu kümmern, aber am nächsten Tag zu viele Menschen auf einmal meine Fürsorge benötigen könnten. Wie entscheide ich mich dann? Mache ich es dann allen Recht, denen ich Verbindlichkeiten zugesagt habe, oder schütze ich mich selbst und gehe auf Distanz?

Der Blick in die Glaskugel funktioniert nur im Film

Man kann also nur schwer sagen, was in der Zukunft sein wird und eine absolute Verbindlichkeit versprechen. Deswegen ist es sinnvoll, nur Absichten zu erklären. Dennoch kann man selbst mit Absichtserklärungen in die Situation kommen, jemandem absagen zu müssen. Ich hatte kürzlich erst den Fall, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben zu viele Verbindlichkeiten eingegangen bin und noch ganz vielen Menschen schreiben wollte, aber mir irgendwie die angemessene Aufmerksamkeit dafür fehlte. Für mich ein klares Signal, nicht noch mehr Verbindlichkeiten einzugehen, sondern mir mehr Zeit für mich zu nehmen. Dazu gehört auch, Flexibilität in meinen Kalender zuzulassen und nicht drei Monate im Voraus ausgebucht zu sein. Um die Frage vom Anfang also zu beantworten: Man kann es nicht versprechen.

Dennoch ist es wichtig, sich über Wünsche und Erwartungen auszutauschen (siehe auch Artikel Fastnächtliche Gedanken zu ehrlicher Kommunikation oder Spielerisches Konsensieren) und seinem Partner eine Einschätzung zu geben, wie viele Ressourcen man für ihn aufwenden kann. Denn wenn man zu viele Verbindlichkeiten in seinem Leben hat, wird man Prioritäten setzen müssen. Und mir ist es dann wichtig zu wissen, wo ich stehe und Klarheit zu haben. Selbst wenn diese Klarheit vielleicht nur eine Prognose und kein Versprechen ist.