Warum ich Leuten anbiete, sie einfach so zu umarmen

Eine Stormtrooper-Figur hält ein Schild mit "Free Hugs". Urheber: clement127 (https://www.flickr.com/photos/clement127/13661779374/)

photo credit: clement127 via Flickr cc

Gastartikel von Caro:

Ich stehe im Bahnhof, vorfreudig und ein wenig aufgeregt. Umgeben von Reisenden und Einkaufenden stehe ich vor der großen Treppe, die zu den Gleisen führt. Ich möchte heute weder irgendwo hinfahren noch etwas einkaufen. Ich stehe einfach dort und beobachte die Menschen, die auf mich zu und dann an mir vorbei strömen. Ich schaue allen Menschen in die Augen und lächele sie an. Viele lächeln zurück. Sie haben mein Schild bemerkt: „Gratis Umarmungen“.

Manche sehen mich nicht, andere schauen schnell weg. Ein paar mustern mich skeptisch. Die meisten aber lächeln mich freundlich an. Ein paar kommen auf mich zu und wir umarmen uns. Wenn wir uns wieder voneinander lösen, blicke ich meist in ein fröhliches Gesicht. Manche strahlen regelrecht. Ich freue mich, dass ich ihnen das schenken konnte. Vielleicht können sie es mit in ihren Tag nehmen und weitergeben.

„Warum machst du das?“

Caro in der Fußgängerzone mit einem Schild "Gratis Umarmung"

Caro „in Action“ 😉

Im Sommer 2015 habe ich zum ersten Mal Free Hugs gegeben und seitdem etwa 20 Mal. Ungefähr jeder Fünfte, der mich umarmt, fragt mich nach dem Grund. „Um zu zeigen: Du bist gut, so wie du bist“. Viele scheinen sofort zu verstehen, was ich meine und freuen sich. Andere schauen etwas irritiert oder wollen wissen, ob das einen religiösen Hintergrund habe. Für einige scheint es schwer vorstellbar zu sein, dass ich einfach etwas Gutes tun möchte, ohne etwas dafür haben oder Werbung für eine Institution machen zu wollen. Schon mehrmals waren Menschen davon sehr überrascht und zugleich berührt.

Wie lange dauern die Umarmungen?

Nur wenige halten die Umarmung länger als ein bis zwei Sekunden. Wenn mich jemand herzlich drückt und länger im Arm hält, freue ich mich besonders. Wir scheinen die Freude am Geben zu teilen und dadurch fühle ich mich verbunden.

„Hast du keinen Freund?“

Ich wurde bisher etwa fünfmal gefragt, ob ich keinen Freund habe oder ob ich einen suche. Das habe ich verneint, falls die Person nicht ohnehin schon an mir vorbeigerannt war. Ich stehe dort nicht, weil ich selbst umarmt werden oder etwas haben möchte, sondern weil ich etwas *geben* will. Das heißt im Extremfall, wenn niemand kommt und mich umarmt, ist das auch gut für mich. Dann sind womöglich alle mit genug Liebe und Zuwendung versorgt und ich freue mich darüber. Ich mache das Angebot; ob es jemand annimmt, ist nicht wichtig. Es ist mir aber noch nie passiert, dass mich niemand umarmt hat.

Was machst du, wenn jemand kommt, den du nicht umarmen willst?

Es gibt manchmal Leute, vor denen ich etwas Angst habe – Betrunkene zum Beispiel. Ich kann ihr Verhalten nur schwer einschätzen und fühle mich daher unsicher. Etwas Schlimmeres, als dass ich Alkoholgeruch in der Nase hatte, während ich sie umarmte, ist mir aber noch nicht passiert. Sie waren meist sehr gerührt über meine Gabe und haben sich wortreich bedankt. Einmal wollte mir ein Mann sogar eine kleine Schnapsflasche schenken. Das habe ich aber dankend abgelehnt.

„Ich bin AfD-Wähler und Neonazi. Umarmst du mich trotzdem?“

Das wurde ich neulich von einem Mann gefragt, bevor er sich von mir umarmen lassen wollte. Ich bejahte und nahm ihn in den Arm. Hinterher sagte er mir, dass es nur ein Scherz war. Aber auch wenn es keiner gewesen wäre: Ich möchte alle Menschen annehmen und lieben können, ohne irgendwelche Bedingungen aufzustellen. Wenn ich jemandem, der andere Menschen hasst, zeige, dass ich ihn deshalb hasse, entsteht nur umso mehr Hass. Ich möchte Menschen zeigen, dass sie gut sind, wie sie sind – mit all ihren Gefühlen, Ängsten und Sorgen. Wenn ich hasse, vermehrt sich nur Hass. Mehr Liebe kommt nur in die Welt, wenn ich liebe. Da fällt mir persönlich die Wahl nicht schwer, was mir lieber ist.

Bei ihren Free Hugs ist Caro selten allein. Oft sind liebe Freunde dabei, die ihre Begeisterung und ihren Wunsch teilen, ein „Du bist gut, so wie du bist“ zu schenken. Solche Treffen wie bei ihr in Leipzig gibt es auch in anderen Städten: http://de.movemeta.org/mitmachen/.

Vielen Dank, liebe Caro, für diesen spannenden Einblick! Du hast tatsächlich alle Fragen beantwortet, die wir uns insgeheim schon immer gestellt haben ;-).