Über die Kunst, den für sich passenden BDSM-Stammtisch zu finden

3199626093_d33f143fdc_b

photo credit: Jessica Spengler via Flickr cc

Es ist nicht einfach, den passenden BDSM-Stammtisch zu finden – vor allem nicht, wenn man wie ich alle paar Jahre umzieht. Im Gegensatz zu Bekanntschaften in Online-Foren oder auch Freundschaften, die man eben weiter per Skype pflegt, ist ein Stammtisch etwas extrem Lokales, was man bei einem Umzug nicht mitnehmen kann. Klar kann man mit einzelnen Leuten weiterhin den Kontakt pflegen, aber so als Ganzes geht es nach jedem Umzug wieder bei Null los.

Wichtigste Erkenntnis: Man macht sich vorab eigentlich immer zu viele Gedanken. Darüber, ob die Leute komisch oder unfreundlich sein könnten, darüber dass am Nachbartisch irgendwelche Arbeitskollegen sitzen könnten, die sofort erkennen, um was für eine perverse Veranstaltung es sich handelt … keines dieser Horrorszenarien ist jemals bei mir eingetroffen. Natürlich gibt es Stammtische, die man sympathischer findet als andere oder bei denen man schneller einen Draht zu den anderen am Tisch aufbaut, aber ich habe bisher nie eine explizit schlechte Erfahrung gemacht. In ganz vielen Fällen ist der BDSM-Stammtisch sowieso etwas abseits oder im Nebenzimmer platziert, so dass man von den anderen Besuchern der Location gar nicht gesehen wird. Davon abgesehen sieht der Dresscode bei Stammtischen normalerweise sowieso normale Straßenkleidung vor, keine Szene-Ouftits.

Die Sympathie entscheidet

Es geht daher vor allem darum, ob einem der Rest der Stammtisch-Besucher sympathisch ist oder nicht. Denn gerade zu BDSM-Stammtischen geht man oft deshalb, weil man sich über BDSM-Techniken oder -Erfahrungen austauschen will und daher ist es sinnvoll, das in einem Rahmen zu tun, in dem man sich wohlfühlt. Hilfreich ist – zumindest bei mir und den meisten anderen, die ich kenne –, wenn die anderen in etwa dasselbe Alter haben wie man selbst. Auch weil viele in derselben Altersklasse oft vor ähnlichen Herausforderungen stehen: BDSM in der WG, weil man sich noch keine eigene Wohnung leisten kann, Outing vor den Eltern, Umgang mit BDSM, wenn man über Kinder nachdenkt etc.

Ein – zumindest aus meiner Sicht – weiterer sehr wichtiger Aspekt ist ein präsenter Organisator. Ich finde es wichtig, bei einem Stammtisch-Besuch „eingesammelt“ zu werden, vor allem wenn man neu dort ist. Eine persönliche Begrüßung und auch ein kurzes Gespräch, um herauszufinden, ob man z.B. akute Probleme hat und Rat benötigt, finde ich sehr hilfreich. Schon allein, damit man später weiß, an wen man sich bei Fragen wenden soll. Allzu zurückhaltende Orgas sehe ich kritisch, weil diese oft keine Anlaufstelle für schüchterne Menschen sind. Oft übernehmen diese Rolle auch erfahrenere Mitglieder, was genauso funktioniert, wenn diese regelmäßig kommen.

Längere Anfahrt lohnt sich

Problematisch ist es, wenn man in einer Kleinstadt ohne eigenen Stammtisch wohnt. Ich kann allerdings jedem nur empfehlen, den Weg in die nächstgrößere Stadt dafür auf sich zu nehmen. Bei mir gehört es in einer neuen Stadt regelmäßig zu den ersten Amtshandlungen, den lokalen Stammtisch auszucheken. Einfach weil ich es toll finde, dort Bekannt- und Freundschaften mit Leuten zu machen, die genauso ticken wie ich. Klar, Dates würden auch gehen, aber die sind mir persönlich zu anstrengend. Außerdem sind Dates oft nur auf Partnerfindung und weniger auf reine Freundschaften ausgelegt. Auf einem Stammtisch kann man relativ unverbindlich mit allen quatschen und wenn man mit jemandem näher Kontakt haben möchte, kann man immer noch Telefonnummern austauschen.

Außerdem ist es eine gute Gelegenheit, sich verschiedene Meinungen zu einem Thema, das einen beschäftigt, einzuholen. Viele Stammtische haben bestimmte Gesprächsthemen, über die man sich am Anfang unterhält, bevor man freie Themenwahl hat. Das klingt am Anfang etwas einengend, aber hat sich aus meiner Sicht bewährt, da es oft gar nicht so einfach ist, das Gespräch auf BDSM-Themen zu bringen. Sobald sich Leute ein bisschen kennen, unterhalten sie sich naturgemäß über alles Mögliche, nur nicht über BDSM. Gerade für Neulinge ist das zwar einerseits angenehm, weil sie oft noch ein bisschen scheu sind, aber es liefert ihnen andererseits keine Antworten auf die Fragen, die sie sich stellen. Doch gerade dafür sind Stammtische gut, weil man sich hier intensiv austauschen und gegenseitig unterstützen kann. Der Austausch bezieht sich nicht nur auf Meinungen, sondern auch auf Wissen – gerade bei BDSM-Techniken kann es sinnvoll sein, nicht nur nach einer Anleitung aus dem Internet zu gehen, sondern das Ganze auch mal mit einem erfahrenen Hasen durchzusprechen oder auszuprobieren.

Probieren geht über Studieren

Die Taktik besteht also immer darin, einfach mal hinzugehen. Und wenn einem der eine Stammtisch nicht taugt, sollte man einfach einen anderen (be)suchen. Das kann nervenaufreibend sein, weil man sich für jeden neuen Stammtisch aufs Neue überwinden muss, aber zumindest mir tut es gut, regelmäßige Szene-Kontakte zu pflegen und neue Leute kennenzulernen. Das macht es in der Folge auch leichter auf Partys zu gehen; man geht eher auf eine BDSM-Party, wenn man weiß, dass dort Leute sind, die man kennt und mag. Ich habe den Eindruck, dass man durch Stammtisch- und Party-Besuche insgesamt offener mit dem Thema BDSM umgeht – zumindest in Szene-Kreisen –, was für die meisten ein großer Gewinn sein dürfte, da Heimlichtuerei bis zu einem gewissen Grad immer belastend ist. Nicht nur zu wissen, dass es Menschen gibt, die genauso denken und fühlen, sondern das auch zu sehen und zu erleben, ist viel wert. Und deshalb gibt es im Folgenden auch gleich ein paar Linktipps, wo ihr einen Stammtisch in eurer Nähe finden könnt.

Übersichten, wo es deutschsprachige BDSM-Stammtische gibt:

  • für Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre: auf smjg.org
  • für die Altersklasse knapp drüber, die sich aber noch nicht erwachsen fühlen will ;-): auf smjg-alumni.org
  • für alle Altersgruppen: auf schlagzeilen.com oder in einschlägigen Communities