Nie mehr Blind Dates!

Bild einer Frau am Meer

photo credit: Mitja Ku via Flickr cc

Ich muss meinen Juni-Artikel Überraschungseier für Erwachsene revidieren. Darin schrieb ich über die Hürden und Tücken des Online-Datings, habe diese aber alles in allem recht positiv bewertet. In der Zwischenzeit habe ich neue Erfahrungen gemacht und in Folge von ihnen Online-Datings komplett aus meiner Partnersuche-Strategie gestrichen.

Nein, ich hatte kein Horror-Erlebnis, dass mich ein übelriechender, alter Mann zwei Stunden lang unverschämt begafft hätte. Im Gegenteil, alle, mit denen ich mich getroffen habe, waren sehr höflich und freundlich zu mir. Ich habe neue Cafés und Restaurants in meiner aktuellen Heimatstadt kennengelernt, spannende Gespräche über Kultur, Urlaube und Lebensziele geführt und einmal auch eine interessante Ausstellung besucht. Ich war nur viel zu verkopft, um mich richtig auf meine Dates einzulassen. Ich wollte mir Mühe geben, ein ausgewogenes Urteil über mein Gegenüber zu fällen. Daher habe ich auch alle, die ich blind-gedatet habe, noch ein zweites Mal getroffen, weil es mir oft so geht, dass ich Menschen erst auf den zweiten Blick attraktiv oder anziehend finde. Und überhaupt habe ich mir die ganze Zeit Gedanken darüber gemacht, wie ich diese oder jene Person jetzt finde oder einschätze.

Im Nachhinein schüttle ich ein bisschen den Kopf über mich selbst, auch wenn es am Anfang noch nicht so extrem war. Aber ich habe festgestellt, dass eine gerechte Bewertung vollkommen kontraproduktiv ist, weil ein intensiveres Kennenlernen nur dann Sinn macht, wenn ich mein Gegenüber anziehend finde. Wenn das nicht der Fall ist, ist es völlig irrelevant, ob es tolle Hobbys hat oder sagenhaft kocht. Denn das gleicht die fehlende Anziehungskraft nicht aus. Wenn ich Menschen kennenlerne, fängt bei manchen – zumindest bei mir – relativ früh ein Kopfkino an zu laufen. Dann kribbelt es im Bauch und ich überlege mir, was er mit mir machen würde, wenn wir zusammen im Bett landen. Das hat bei den Dates fast immer gefehlt, wobei ich auch denke, dass es sich einfach nicht entwickeln konnte, weil ich eben zu viel nachgedacht habe. Mein Kopfkino ist nämlich sehr instinktiv geprägt und kommt zum Beispiel auch oft dann, wenn ich müde und nicht mehr im professionellen Überlebensmodus – wie zum Beispiel bei Blind Dates – bin.

Ich will gar nicht ausschließen, dass ich einen Teil der Männer in einem anderen Zusammenhang sogar als attraktiv wahrgenommen hätte. Aber ich habe gelernt, dass meine Entspannung ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Gleichung ist. Damit hängt ein weiterer Aspekt zusammen, und zwar der, dass man bei einem Date ein exklusives Zweiergespräch führt. Und das beinhaltet immer die Vermeidung von peinlichen Gesprächspausen plus jeder versucht, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Dadurch wird so ein Date viel anstrengender als wie wenn man jemanden auf einem Stammtisch oder einer Party trifft, ein paar Worte mit ihr oder ihm wechselt und wieder weiterzieht. Vor allem hat man mit dieser Person eine gemeinsame Erfahrung, auf die man zurückgreifen kann.

Es hat letzten Endes einfach keinen Spaß mehr gemacht. Es war vor allem zwischen den Dates immer total anstrengend, weil ich mir diese ganzen Gedanken gemacht habe und mir ständig dachte, ich darf nur nicht zu früh aufgeben. Im Nachhinein verschwimmen die Begegnungen ein bisschen – ich erinnere mich noch an die Unternehmungen und die Restaurants, aber aus emotionaler Sicht waren keine „Ausreißer“ dabei, weder positiv noch negativ. Ganz anders als bei regelmäßigen Spielpartnern oder Freunden, bei denen normalerweise Freude über das Treffen oder eine andere Art von Wohlgefühl vorherrscht, die im besten Fall auch noch ein paar Tage anhält. Bei den Dates war alles sehr rational und bemüht positiv, aber eigentlich nie von Herzen kommend.

Ich bin über meine 180°-Wendung selbst ziemlich erstaunt, weil ich das in dieser Form nicht erwartet hätte und von mir auch nicht unbedingt kenne. Auch angesichts der Tatsache, dass ich normalerweise extrem sozial und dafür berüchtigt bin, mit vielen Menschen ohne irgendwelche Probleme gut auszukommen. Aber im Moment bin ich richtiggehend erleichtert, dass ich neue Menschen nur noch auf Stammtischen oder ähnlichen Veranstaltungen kennenlerne, bei denen ich jederzeit wieder flüchten kann, ohne dass es unhöflich wird. Und bei denen ich mich auch nicht sofort entscheiden muss, ob und wie es weitergeht. Aber ich bin trotz allem froh, dass ich diesen Erkenntnisprozess hatte, weil ich mich jetzt wieder ein bisschen besser kenne und dieses Wissen bei allen zukünftigen Partnersuchen einbeziehen kann.