Aus dem Alltag einer Tantramasseurin

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photo credit: Roberto Verzo via Flickr cc

Ich mache den tollsten Job der Welt. Nein, wirklich.

Ich arbeite in einem liebevoll eingerichteten Raum bei Kerzenlicht und stimmungsvoller Musik, ich bin frei in meiner Zeiteinteilung, ich habe respektvollen Umgang mit den verschiedensten Menschen. Meine Werkzeuge sind der Raum, die Zeit, Klänge, Düfte, mein eigener Körper und der meines Gegenübers.

Ich sehe meine Aufgabe darin, meine Kund*innen in einen Zustand der Entspannung und des sinnlichen Vergnügens zu versetzen. Den Menschen zu helfen, „aus dem Kopf zu kommen“: das Denken hört auf, man ist ganz im Moment, die Zeit steht still, nichts ist wichtig außer der aktuellen Empfindung. In diesem Zustand kann Verletzlichkeit und Hingabe, Leidenschaft und Lebensenergie, Lust und Orgasmus ohne Erwartungen und Leistungsdruck erfahrbar werden.

Es ist ein „Liebesdienst“ im wahrsten Sinne. Ich kann meine Aufgabe nur erfüllen, wenn ich eine echte Begegnung von Mensch zu Mensch ermögliche: wenn ich der Person und ihrem Körper mit echtem Respekt und Wertschätzung begegne, wenn ich als Mensch und Person zugänglich und echt bin und wenn ich meine Persönlichkeit in das Gesamtkunstwerk miteinfließen lasse.

Meist habe ich zwei Stunden Zeit für mein „Werk“. Es ist ein bisschen wie Performancekunst, gleichzeitig fühle ich mich wie eine Reisebegleiterin. Ich führe die Menschen langsam, Schritt für Schritt, in eine tiefe Entspannung und von dort aus ins sinnliche Erleben. Ich liebe die anspruchsvolle Mischung aus Präsenz, Kunstfertigkeit, Intuition und Kreativität, die das von mir erfordert.

Ich bin fasziniert von Berührung als Kommunikation. Meist verwende ich ähnliche Vokabeln, aber jede Massage hat ihre eigene Grammatik, Rhythmus, Tonfall … Ich kann mit meinem Körper und meinen Händen Botschaften senden, zum Beispiel Wohlwollen, Wertschätzung, Schutz, Freude ausdrücken. Kann damit psychische, emotionale, körperliche Reaktionen beim Gegenüber hervorrufen, die Menschen an Orte in ihrem Innern schicken, die sie noch nicht kannten, manchmal ganz neue innere Welten erschaffen.

Natürlich ist das nicht immer ganz leicht. Wenn es mir selbst nicht gut geht oder ich wenig Energie habe, kann es sehr anstrengend sein, in die Geberrolle zu schlüpfen. An solchen Tagen ist es noch wichtiger als sonst, gut für mich selbst zu sorgen, zum Beispiel mit gutem Essen, schöner Musik, Gesprächen und viel Ruhe. Da ich selbstständig bin, habe ich immer auch die Option, einfach wenig zu massieren und so meine Kräfte zu schonen.

Es kommt immer wieder vor, dass ich so gar keinen Zugang zu einer Kund*in finde, dass sich einfach keine Verbindung aufbaut. Gerade bei der ersten Massage ist es für viele nicht leicht, sich so richtig hinzugeben. Ich tue dann mein Bestes und glaube fest daran, dass meine Berührungen im Inneren etwas bewegen. Auch wenn wir das in dem Momoent vielleicht beide nicht recht wahrnehmen können. Manchmal entfaltet sich die Wirkung der Massage auch erst im Nachhinein, teilweise über Wochen oder Monate hinweg. Wenn ich den Eindruck haben, dass ein*e Kund*in dafür zugänglich ist, spreche ich nach der Massage über mein Empfinden. Meistens war es für die Person trotzdem ein tolles Erlebnis. Überhaupt entspannen und genießen zu können, ist für viele schon ein großer Schritt. Hingabe, Vertrauen und intensives Spüren braucht oft etwas Übung, weil wir es in unserem restlichen Leben so wenig gewohnt sind.

Wenn eine Massage hingegen so richtig gut läuft, denkt mein Hirn während der gesamten Zeit kaum einen Gedanken. In einer Art meditativem Zustand beobachte ich meinen Körper, wie er das Kunstwerk wie ohne mein Zutun erschafft. Die Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen Körper und Innenwelt wird weicher, sowohl bei mir als auch bei der anderen Person. Es fühlt sich an wie so eine Art Verschmelzung, ein Resonanzverhältnis zwischen uns beiden, aber auch zwischen uns und der Welt als Ganzem. Der Zustand des „im Spüren Seins“, „im Körper Seins“, sexuell und lustvoll Seins hat für mich etwas kreatürliches, das uns mit allen Lebewesen verbindet. Wenn wir dahin (zurück)finden können, und wenn es nur für ein paar Momente ist, stellt sich ein friedlicher, freudvoller Zustand ein, weil all die Probleme des Hirns ihre Bedeutung verlieren und wir uns in dieser Lebendigkeit sicher und geborgen fühlen. Ich bin kein spiritueller Mensch, aber es hat oft was von einem transzendenten Erlebnis. Ich habe keine Ahnung, ob viele Gäste so etwas erleben, sie sprechen selten ausführlich über ihr Empfinden. Aber sie sind danach oft ganz verändert. Ihr Gesicht leuchtet, Falten verschwinden, viele sind sprachlos, wie verzaubert.

Herzlichen Dank an Eva für einen weiteren wunderbaren Artikel, der uns einen ehrlichen Einblick in ihren Alltag ermöglicht.

Eva arbeitet seit 2013 hauptberuflich als Tantramasseurin. Man kann ihre Massage hier erleben.