Beziehung öffnen mit „professioneller“ Hilfe?

Sprießende Zwiebel

photo credit: Miwok via Flickr cc

Mittlerweile scheint auch zur treuesten und romantischsten Seele vorgedrungen zu sein, dass es den meisten Menschen schwer fällt, sich über einen sehr langen Zeitraum sexuell auf eine einzige Person festzulegen. In den Medien häufen sich mehr oder weniger schmeichelhafte Rezeptionen polyamoren Lebens und es gibt mittlerweile nicht wenig Literatur zum Thema. Unkonventionelle Beziehungskonzepte wie die sogenannte offene Beziehung oder Polyamorie scheinen die breite Masse zu interessieren. Aber wie viele probieren sich in dieser Hinsicht tatsächlich aus?

Freies Lieben scheint nicht nur zu faszinieren, sondern auch Angst zu machen. Zu Recht. Denn dafür muss man nicht nur ein ordentliches Maß Selbstreflektion an den Tag legen und einige grundlegende Annahmen über Liebe und Beziehung über Bord werfen, sondern es fehlen auch Vorbilder, Orientierungshilfen und Narrative, die einem ein Mindestmaß an Sicherheit garantieren. Gesprächspartner mit Erfahrung. Und nicht zuletzt Gespielen und Gespielinnen, mit denen man Erfahrungen sammeln kann.

Erste Erfahrung zu dritt

Kürzlich kam ein Paar zu mir ins Ananda, das ein „Ritual zu Dritt“ gebucht hatte. Dabei wird eine Hälfte des Paars massiert, während die andere zuschaut, vielleicht die Hand hält oder den Kopf. Dieses spezielle Paar war bei mir, um zu testen. Wie es sich anfühlt, zu sehen, wenn eine fremde Frau diesen Mann anfasst. Sie sind sexuell offen und neugierig und möchten ihre Beziehung entsprechend gestalten. Es war eine wundervolle, berührende Erfahrung für uns alle. Er genoss seine erste Massage in dem Wissen, dass sie sich damit gut fühlt. Für sie war es, als ob sie selbst auch massiert wird, so innig war sie ihm verbunden. Ich hatte doppelt Spaß an der Massage, weil ich spürte, dass beide das Erlebnis tief genossen. Am Ende lag sie tief bewegt in seinen Armen. Beim Nachgespräch waren wir alle zu Tränen gerührt. Ich bin sehr dankbar, Menschen zu solchen Erfahrungen verhelfen zu können und Teil glückbringender Entwicklungen zu sein. Vielleicht war es für die beiden ein erster kleiner Schritt in eine große Freiheit. Der nur möglich war, weil ich ihnen einen klar festgelegten und sicheren Rahmen bot.

Gleichzeitig habe ich mich gefragt: Was ist mit den weiteren Schritten? Vielleicht würden sie testen wollen, wie es ist, wenn sie von einer Frau verwöhnt wird, oder wie es wäre, zu dritt Sex zu haben. Nicht jedes Paar ist gleich bereit oder überhaupt gewillt, sich in die freie Wildbahn sexueller Subkulturen zu stürzen. Doch jenseits davon ist es ganz schön schwierig, geeignete Partner*innen zu finden, um zu experimentieren und sich auszuprobieren. Denn egal, wie abgeklärt alle Beteiligten sind, es besteht immer die Gefahr emotionaler Verwicklungen auf allen Seiten. Die Unvorhersehbarkeit der Angelegenheit schreckt viele ab.

Unterstützung bei Experimenten

Man bräuchte eine Person, die eine gewisse Erfahrung auf dem Gebiet nicht-monogamer Lebensformen und sexueller Freizügigkeiten mitbringt, gern auch eine gewisse Kundigkeit in Sachen sinnlicher Kunstfertigkeit, Feingefühl und Köpfchen. Die nicht nur als Gespielin, sondern auch als Gesprächspartnerin zur Verfügung steht. Die nach der Begegnung voll abgegrenzt in ihr Leben zurückkehrt.

Ich frage mich, ob man eine Form sexueller Dienstleistung etablieren könnte, bei der es nicht um das Erbringen einer vorher vereinbarten „Leistung“ geht, sondern ums gemeinsame Experimentieren und Lernen, um den Prozess. Eine „Professionelle“, mit der Menschen Techniken und Fertigkeiten spielerisch entwickeln können. Mit der sie Experimente wagen können, die ihnen Angst machen. Wo das sinnliche Vergnügen aber nicht notwendigerweise im Vordergrund steht, sondern wo es auch um die Frage gehen darf, wie man seine Sexualität und Beziehung gestalten kann und möchte. Um Horizonterweiterung. Begegnung. Menschlichkeit.

Wonach suchen?

Ich versuchte, herauszufinden, ob es Menschen gibt, die so etwas schon anbieten. Ich weiß aber nicht einmal, nach welchen Schlagwörtern ich suchen soll. Was geben ratlose Paare in die Suchmaschine ein? Wie würde so ein Angebot aussehen, wo und wie würde mensch werben? Ich bin dankbar für Hinweise und Ideen.

Gitarrenlehrer gibt es wie Sand am Meer. Für nahezu jedes Hobby kann man Unterrichtsstunden buchen. Unzählige Coaches wollen einem alles mögliche beibringen. Nur wenn es um Sexualität geht, fehlt eine Kultur des Lernens, Austauschens und Genießens. Das würde ich gerne ändern. Eine sexuelle Kultur entwickeln, in der es selbstverständlich ist, mit Freunden, Liebespartnern und/oder kundigen „Profis“ Techniken, Fertigkeiten und Tugenden im sinnlichen und sexuellen Bereich zu erwerben. Vielleicht fange ich mit der Erfindung einer neuen Form der sexuellen Dienstleistung an.

Vielen Dank, liebe Eva, für diesen Gastartikel, der einen zum Nachdenken bringt. Wir sind gespannt, was du dir einfallen lässt!

Eva arbeitet seit 2013 hauptberuflich als Tantramasseurin. Man kann ihre Massage hier erleben.