O-O-Orgasmus

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photo credit: Kamila Gornia via Flickr cc

 

Wenn ich das Wort Orgasmus höre, denke ich sehr oft an eine Begebenheit, als ich mit 10 Freunden im Urlaub war. Eine von uns – wahrscheinlich war ich es – hatte eine Frauenzeitschrift gekauft und es kam, dass sich nur die Frauen unter uns in einem Zimmer sammelten und zumindest ein bisschen über Sex sprachen. Anfangs war es sehr zurückhaltend, aber das legte sich, als wir beim Artikel der verschiedenen Orgasmus-Arten ankamen, in dem auch der Nippelorgasmus aufgefühlt war – was eine der Anwesenden ziemlich empörte, da nur wenige Frauen einen bekommen können und es den Erwartungsdruck an alle Frauen aber erhöht, wenn er in solchen Übersichten aufgeführt ist. Daraufhin hatten wir eine gute Unterhaltung über Orgasmen im Allgemeinen und Nippelorgasmen im Besonderen und Nippelorgasmus blieb auch bis zum Ende des Urlaubs das geflügelte Wort.

Aber um zum Thema Orgasmus zurückzukommen: Ich habe mittlerweile schon jede Menge Sachen gehört, also von denen, die eher leicht kommen, über die, die nur unter bestimmten Voraussetzungen kommen, bis zu denen, die gar nicht kommen. Letztere stellen einem dann auch mal die Frage, wie sich ein Orgasmus denn anfühlt, und schwupps, kommt man auf einmal in ziemliche Erklärungsnot. Ist aber die Erklärungsnot der interessanten Sorte, weil man auf einmal einen ganz anderen Zugang zu einem altbekannten Thema bekommt. Eine Sache im Detail zu beschreiben, die man sonst nur erlebt, ist anfangs eben eine kleine Herausforderung.

Insgesamt denke ich, dass eine typische Entwicklung ist, das man im Lauf der Zeit ruhiger und gelassener in Bezug auf Orgasmen ​wird (das sieht auch Kleine Schwanzlutscherin so, deren Artikel „Dieses Zittern im Bauch, das man nie mehr vergisst“ ich hier gern verlinken möchte). Das kommt nicht nur mit dem Alter und vermeintlicher Altersweisheit, sondern auch daher, dass man sich im Lauf der Zeit einfach immer besser selbst kennt. Dass man weiß, was man mag und was man nicht mag, und es sich selbst und den Partnern gegenüber auch eingesteht. Einerseits kriegt man das durch Erfahrungen mit verschiedenen Menschen raus, andererseits auch durch Masturbation (sehe jedenfalls ich so – eine Menge toller Gründe zur Selbstbefriedigung liefert Girl on the Net hier).

Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich Orgasmen auch deshalb so locker sehe, weil ich verhältnismäßig leicht welche kriege. Nicht dass ich eine bestimmte Technik oder ähnliches anwenden würde, ich habe in dieser Hinsicht wohl einfach Glück. Ich habe damit auch nie schlechte Erfahrungen gemacht, zumindest keine, die sich mir eingeprägt hätten. Allerdings ist ein Orgasmus bei mir auch oft nicht das angestrebte Ziel einer BDSM-Session – ich habe früh festgestellt, dass ich eine Portion Schmerzen total befriedigend finde. Wenn ich dann hinterher eingekuschelt mit dem Partner auf dem Bett liege, fühlt sich das so ähnlich an wie nach dem Orgasmus, auch wenn ich keinen hatte. (Dafür brauche ich übrigens auch keinen Subspace, es reicht völlig, dass ich masochistisch bin.) Klar, ich habe gern Orgasmen, aber irgendwie sind diese bloß ein Bestandteil eines größeren Ganzen und als solche zwar da, aber nicht ultra-wichtig. Im Zweifel lege ich eher Wert auf das Gefühl der Geborgenheit, das ich bei einem bestimmten Partner empfinde, anstatt drei tolle Orgasmen zu erleben.

Daher habe ich auch noch nie einen gefakt. Okay, wahrscheinlich bin ich auch einfach zu faul für sowas, aber ich fürchte auch, es würde dem Orgasmus eine falsche, zu hohe Bedeutung zuweisen. Wenn ich jedes Mal einen vermeintlichen Orgasmus bekomme, ist die Gefahr, dass das dann immer erwartet wird, relativ groß. Und wenn ich etwas im Bett gar nicht mag, dann eine Erwartungshaltung, dass dieses und jenes passiert. Außerdem sehe ich nicht ein, dass ich einem anderen Menschen im Bett etwas vormachen muss oder sollte. Spielpartner gehören automatisch zu den Leuten, zu denen ich bedingungslos ehrlich bin, weil selbst ein kleines Manipulationsgenie wie ich der Meinung ist, dass irgendwo mal Schluss sein muss mit der ganzen Flunkerei und Verdrehung von Tatsachen.

In diesem Sinne gibt es hier auch keine Empfehlungen für bestimmte Stellungen, keine Aufzählung, welche verschiedenen Orgasmus-Arten es gibt und wie man sie am besten durchführt, sondern lediglich die Aufforderung: Have fun. Und wer keinen Spaß daran hat, sollte es bleiben lassen. Es ist meiner Ansicht nach übrigens nicht nur der Nippelorgasmus, der gehypt wird, es ist auch der normale Orgasmus, der gern mystifiziert und überhöht wird. Wahrscheinlich auch, weil er den kleinsten gemeinsamen Nenner verschiedenster Arten von Sexualität symbolisiert. Das ändert nichts daran, dass Sex nicht nur aus Orgasmus besteht, sondern aus ganz viel mehr Bestandteilen.

Das Projekt „hysterical literature“ hat zwar nicht direkt etwas mit dem Artikel zu tun, aber ich verlinke es trotzdem, weil es wahnsinnig schöne Videos enthält. Mehrere Frauen sollen einen Text vorlesen, während sie gleichzeitig mit einem Vibrator – den man nicht sieht – stimuliert wurden und man kann verfolgen, wie sie während des Vorlesens zum Orgasmus kommen:  http://hystericalliterature.com/sessions