Ist er – oder doch nicht?

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photo credit: Jurvetson via photopin cc

Ich war einmal – wie so oft – auf dem BDSM-Stammtisch meines Vertrauens und habe den Leuten dort erzählt, wo ich später noch hingehe. Prompt sind die Herrschaften zwei Stunden später, nachdem sie den Stammtisch aufgelöst hatten, in die Location nachgekommen, wo ich mit einer anderen Freundin beim Cocktails trinken war. Und diese wusste bis dato nicht darüber Bescheid, dass ich auf BDSM stehe. Da aber alle noch voll im Stammtisch-Modus waren, haben sie sich unbefangen weiter über die „üblichen“ Themen wie Entführung unterhalten, so dass ich mich genötigt sah, die Freundin auf die Toilette zu schleppen und im Schnellverfahren aufzuklären. Glücklicherweise hat sie es recht gelassen aufgenommen. Etwa eine Stunde später kam einer der Anwesenden dann auf die Idee, mal nachzufragen, ob meine Freundin genauso drauf sei wie der Rest.

Diese im Nachhinein recht lustige Erfahrung verdeutlicht die Schwierigkeiten, die es geben kann, wenn plötzlich der BDSM-lastige und der „normale“ Freundeskreis aufeinander treffen. Schwierigkeiten als Wort ist hierfür eigentlich zu stark, aber ich habe festgestellt, dass es zumindest für die perverse Seite gut ist, zu wissen, ob man offen reden darf oder nicht.

Das Standard-Verhalten der BDSM-Leute, solange sie nicht wissen, dass nicht alle mit dem Thema etwas anfangen können, ist normalerweise, „normale“ Themen zu suchen und darauf zu achten, keinen vor den Kopf zu stoßen – und den Gastgeber nicht ungewollt zu outen. Ein „Verhaltenskodex“ ist da enorm hilfreich, habe ich festgestellt. Gar nicht so sehr, weil man in diesen Kreisen immer über DAS Thema reden muss, sondern einfach weil man viel weniger Hemmungen hat, bestimmte Bemerkungen oder Nebensätze fallen zu lassen und tendenziell mit intimen Themen offener umgeht.

In manchen Fällen kann aber das Nichtwissen auch einfach sehr unterhaltsam sein, wie ich vor Kurzem festgestellt habe: Eine gute, auch perverse, Freundin hatte zu einer Party eingeladen und die Freundeskreise – Ex-Kommilitonen, Perverse, sonstige Bekannte – bunt gemischt. Da die übliche Kontaktaufbau-Frage auf solchen Feiern die ist, woher man denn die Gastgeber kennt, hat man sich jeweils langsam vorgetastet, um rauszukriegen, ob man mit dem Gegenüber skurrile Anekdoten austauschen oder das Gespräch doch lieber auf das jeweilige Fachgebiet lenken sollte. Sobald man über diese Aufbau-Phase hinaus war, waren alle Gespräche auch recht unterhaltsam, aber besagte vorige Phase glich schon ziemlich einem Ratespiel – reagiert die Person auf das Wort Stammtisch oder guckt sie nur ratlos? 😉

Aus diesen Erfahrungen heraus versuche ich daher, meinen perversen Freunden vor dem Aufeinandertreffen mit anderen Freunden zu vermitteln, wen sie da ungefähr treffen werden. Der Vollständigkeit halber muss ich noch anfügen, dass es einen Teil meines Freundeskreises gibt, der zwar selbst keine BDSM-Neigungen hat, aber mit Gesprächen darüber gut klar kommt oder auch neugierig ist. Das kommuniziere ich dann auch in die Richtung „bei denen könnt ihr offen reden“.

Es ist natürlich keine einfache Entscheidung, wem man überhaupt von seinen Neigungen erzählt. Ich für meinen Teil gehe dabei ziemlich stark nach Instinkt – heißt, ich muss mich in Gegenwart der anderen Person wohlfühlen und es muss ein gewisses Vertrauen vorhanden sein. Grundsätzlich nicht erzähle ich es Arbeitskollegen, weil Kollegen trotz oft enger Verhältnisse einfach keine Freunde im eigentlichen Sinn sind – zumindest nach meiner Definition -, und ich das Thema einfach sehr privat finde und von meinem Arbeitsleben strikt trennen möchte. Interessant sind dann oft die Reaktionen auf mein Outing: Ein Teil ist überrascht, dass die kleine Aureliana, die ihre Unschuld über die Jahre hinweg perfektioniert hat, so was macht, und es gibt auch Menschen, die es als positiv empfinden, endlich mal offen mit jemandem über Themen wie Sex zu sprechen – und dann im krassesten Fall auch selbst darüber nachdenken, ob das für sie auch etwas wäre.

Mittlerweile weiß der Großteil meiner Freunde Bescheid, so dass ich im Lauf der Jahre bezüglich des Aufeinandertreffens verschiedener Gruppen immer entspannter geworden bin. Es hat dabei auch sehr geholfen, zu sehen, dass auf Seiten der BDSM-Freunde immer ausnahmslos akzeptiert wurde, dass sie sich auf mancher Feier zurückhaltender verhalten mussten, als sie es ohne meine Einschränkung getan hätten. Und sie sich trotzdem gut mit meinen restlichen Freunden angefreundet haben.