Welche Beziehungsform passt zu mir? Teil 2, Sexualität

8940823776_74044b9637_z

photo credit: Jeffrey via Flickr cc

In meinem letzten Artikel schrieb ich über verschiedene Beziehungsarten von Menschen, die entweder Verpflichtungen und Sicherheit in einer Beziehung suchen oder besonders starke emotionale Gefühle ausleben wollen. Nun möchte ich versuchen, auf die Beziehungsarten einzugehen, die sich besonders an körperlichen Bedürfnissen orientieren. Das Schwierige an einer Kategorisierung von diesen Verhältnissen ist, dass körperliche Bedürfnisse extrem unterschiedlich sind, und diese sich, bis sie nicht mehr auseinander zu halten sind, mit emotionalen Gefühlen vermischen können.

Um es mir also etwas einfacher zu machen, werde ich nicht auf die Spezialitäten dieser eigenen Sexualität eingehen, aber merke an, dass JEDE der folgenden Beziehungsformen (und eigentlich auch der Beziehungsformen aus dem 1. Teil) unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Zum Beispiel könnte man nur einen bestimmten Fetisch ausleben oder Zärtlichkeiten austauschen wollen – dies muss aber gar nicht mit Geschlechtsverkehr verbunden sein.

Wechselbeziehungen
Ich taufe eine Kategorie Wechselbeziehungen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass man sich bei jedem Sexualpartner auf den anderen einstellt, und somit bereit ist, gewisse Kompromisse einzugehen bzw. Bedingungen zu akzeptieren, die bei jedem Partner wieder unterschiedlich sein können. Das kann zum Beispeil bedeuten, dass man sich ein Pärchen sucht und mit diesem seine Sexualität auslebt, aber akzeptiert, dass diese beiden vereinbart haben, nur eine gewisse Zeit mit Affären verbringen zu wollen. Hier merkt man auch, wie fließend die Übergänge zu den Liebesbeziehungen aus dem ersten Teil dieses Artikels sein können, da man bis zu einem gewissen Grad sogar Verpflichtungen eingeht und sich – in gewissen Grenzen – auch erlaubt, Zuneigungen und Gefühle zu verspüren, die über rein körperliche Bedürfnisse hinaus gehen.

Ein andere Form der Wechselbeziehung wäre eine Affäre, in der man beispielsweise vereinbart hat, diese nicht nach außen zu zeigen. Auch wenn man de facto in einer (vielleicht sogar exklusiv monogamen) Beziehung ist, wird es nur als Sexbeziehung bezeichnet, da man nicht wagt, sich und anderen öffentlich einzugestehen, dass man emotionale Gefühle teilt. Dies kann passieren, wenn man die gegenseitige Zuneigung zwar ausleben, aber sich keine Gedanken darüber machen möchte, was das im Einzelnen für die zwischenmenschliche Beziehung bedeutet. Oder mindestens einer der Partner befürchtet, die Beziehung würde zu einem schlechten Ruf für ihn führen.

Eine weitere Form könnte die inzwischen sehr bekannte Freundschaft plus oder auch friendship with benefits sein. Da die Menschen, die sich in solche Beziehungen einordnen, sich gegenseitig nicht erlauben den anderen zu lieben, sprechen sie nicht von einer Romanze – die ausgelebte Sexualität ist aber unkompliziert und muss nicht unbedingt vor anderen Freunden verheimlicht werden. Auch wenn ich beobachtet habe, dass diese Form der Wechselbeziehung auch die am längsten anhaltende sein kann, spielt man ein gefährliches Spiel. Sobald sich jemand verliebt – was auch immer das im Verständnis des anderen bedeutet – bricht man nämlich einen unausgesprochenen Beziehungsvertrag. Wenn die Freundschaft jedoch sehr tief ist und man eine gute Kommunikationsform entwickelt hat, sollten die Gefühle, die man entwickelt, nicht falsch verstanden werden. In diesem Fall sollte sich eine sehr stabile Sexbeziehung etablieren, die sich solange halten kann, bis einer der Partner das Bedürfnis nach einer Liebesbeziehung hat und (einen) entsprechende(n) Partner findet. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich beide Partner der Freundschaft plus zur selben Zeit ineinander verlieben, kann die Freundschaft plus auch in eine (durchaus auch polyamouröse) Liebesbeziehung übergehen.

Swingen und Casual Sex
Wer (alleine, als Paar oder als Gruppe) seine körperlichen Bedürfnisse befriedigen möchte, aber keine Lust, Zeit oder Energie hat, sich mit dem neuen Sexualpartner großartig auseinanderzusetzen, sollte sich seine Partner im Swingerclub, auf Sexparties oder auf Sexwebseiten suchen. Durch die Art, wie man sich kennenlernt, sollte klar sein, dass man nur an Sex und nicht „an mehr“ interessiert ist. Dennoch zu so einer Party bzw. Date zu gehen, obwohl man sich mehr erhofft, gilt in diesen Kreisen als verpönt. Es gehört aber zum guten Ton, freundlich zu sein, ganz nach dem Motto „Wer ficken will, muss höflich sein“. Das ist deswegen so wichtig, da dadurch der Partner die Gelegenheit hat, ein klares „Nein“ zu äußern, wenn er an einem nicht interessiert ist. In der Schwulen Szene gibt es unter den schwulen Swingern dafür sogar eine Zeichensprache: Wenn man von einem anderen Mann (z.B. am Arsch) angefasst wird, soll man sein Handgelenk packen und sachte, aber bestimmt, zu ihm zurück bewegen, und er wird nie wieder versuchen, einen anzufassen.

Heterosexuelle Annäherungsversuche sind gewöhnlicherweise nicht so direkt und, auch wenn ich das an dieser Stelle nur sehr ungerne sage, sind einige Pickuper-Methoden (auch für Frauen übrigens) für casual sex sogar hilfreich. Wenn man die andere Person derart manipuliert, dass sie, zumindest sexuell, von einem abhängig wird, ist das nicht mehr moralisch vertretbar; der Großteil der Pickuper*Innen hat aber das Ziel, dem anderen Gegenüber einen interessanten Abend zu bereiten, und das ist insbesondere bei casual sex besonders wichtig – letztendlich bestimmt schließlich die Atmosphäre, ob man landet (bzw. überhaupt landen möchte) oder nicht.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, sich überall sonst Sexualpartner zu suchen, allerdings ist es dann nicht so klar deutlich wie in Swingerclubs, auf Sexparties oder bei Sexdates, und deswegen sollte man dann noch behutsamer vorgehen und am besten vor den gewünschten intimen Handlungen klarstellen, dass man – zumindest vorerst – nicht an „mehr“ interessiert ist.

Prostitution
Als letzte Form wollte ich eigentlich auf die Formen der Beziehungen eingehen, bei denen mindestens einer der Partner seinen Teil der Beziehung größtenteils nur als Dienstleistung erfüllt. Leider habe ich hier zu wenig Erfahrung und bislang zu wenig Gespräche geführt, um eine ordentliche Beschreibung oder gar eine Empfehlung, für welche Menschen sich diese Form eignet, zu liefern.

Als Schlussbemerkung sage ich nochmal dasselbe, das ich auch im vorherigen Teil bereits sagte: Da Menschen in ihrem Beziehungsleben sehr kreativ werden können, kann es auch Mischformen zwischen den hier und im vorherigen Teil aufgeführten Beziehungsformen geben oder es kann mit jedem Menschen eine andere Form der Beziehung gewählt werden. Selbst wenn man nur eine Sexbeziehung sucht, sollte man meiner Meinung nach immer deutlich seine Erwartungen und Beziehungsvostellungen – insofern diese überhaupt bewusst sind – kommunizieren und aufmerksam dem anderen zuhören, wie er sich fühlt bzw. das Verhältnis versteht.