Somewhere I belong – wo gehöre ich hin?

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photo credit: Chris Lofqvist via Flickr cc

 

Peregrin hat mich gebeten einen Artikel über das wahrscheinlich emotionalste Thema, das mich beschäftigt, zu schreiben: Warum es mir so wichtig ist, Beziehungen mit langer Dauer zu führen; warum ich erst dadurch ein sicheres heimatliches Gefühl bekomme; und warum mir dieses heimatliche Gefühl an sich so wichtig ist. Da sie der Solo-Polyamorie sehr nahe steht und ich diese in dem Artikel „Solopolyamorie – was bleibt?“ kritisiert habe, werde ich ihr (und allen, die genauso wie sie fühlen), hiermit vielleicht die Möglichkeit geben mich zu verstehen.

Somewhere – Irgendwo

Ich denke, generell kann man sich überall zuhause fühlen. Warum man sich ausgerechnet dem einen Ort und den einen Personen mehr zugehörig und verbunden (engl. belonging und relate) fühlt als (einem) anderen, ist auch mir schleierhaft. Ein positives Grundgefühl dürfte aber der wichtigste Faktor sein. Es bildet sich wahrscheinlich durch gute Erfahrungen – insbesondere, wenn man in schwierigen Zeiten  Rückhalt bei diesen Personen finden konnte. Das Wort „Heimat“ wird im Englischen mit demselben Wort wie für „Zuhause“ (home) übersetzt – im Deutschen wird aber (zumindest meinem Sprachgefühl nach) ein kleiner Unterschied gemacht: Ein Zuhause wird eher mit eindeutigen Orten in Verbindung gebracht, während mit „Heimat“ ganze Regionen gemeint sein können. Mir ist der Unterschied deswegen so wichtig, weil hier klar wird, dass man ein Zugehörigkeitsgefühl sowohl konkret als auch abstrakt wahrnehmen kann.

I – Ich

Ich hatte schon oft ein Zuhause. Nachdem ich aus meinem Elternhaus ausgezogen bin, haben meine Eltern unser Haus aufgegeben und seitdem bin ich auf mich gestellt – zumindest kann ich mich bei meinen Eltern nicht mehr zuhause fühlen. Stattdessen habe ich immer dann das Gefühl, nach Hause zu kommen, wenn ich in meine eigene Wohnung einkehre. Unabhängig davon, ob ich in einer WG lebe oder allein, ist es ein Rückzugsort, an dem ich entspannen kann. Allerdings kehrt sich in schwierigen Zeiten der Effekt auch ins Gegenteil und lässt mich Einsamkeit und Bedrückung spüren. Wenn mir „die Decke auf den Kopf fällt“ und „die Wände näher kommen“, finde ich Rückhalt bei meinen Freunden. Dennoch, egal wie nah mir diese Freunde stehen, bin ich doch nur zu Besuch bei ihnen und muss meine Krisen selber lösen. Für mich gibt es kein Zurück in irgendeine Heimat, denn wohin soll ich auch gehen, wenn alles mal zusammenbrechen sollte? Zum Glück konnte ich bisher immer wieder neu Energie schöpfen, um vorwärts zu kommen – und doch beschleicht mich das Gefühl, dass ich vielleicht durch den Mangel eines Rückkehrortes unter Erfolgsdruck stehe. Und erfolgreich bin ich in fast allem, was ich tue – nur gibt es niemanden außer mir selbst, für den ich erfolgreich sein muss. Manchmal wünsche ich mir, dass ich nicht nur für mich, sondern auch für andere erfolgreich bin und etwas abgeben könnte. Wer böte sich denn da besser an als die Menschen, denen ich mich zugehörig fühle?

Be long – Sei von Dauer

Mir ist klar, dass Geben einfacher ist als Nehmen. Für mich ist Geben ein Angebot, das mein Gegenüber annehmen kann oder nicht. Auch wenn es mich verletzt, wenn mein Angebot nicht angenommen wird, muss ich die Entscheidung akzeptieren. Schwieriger ist es jedoch für die Person, die annehmen muss, da sie weiß, dass sie mich bei einer Ablehnung verletzt und zudem in Zugzwang gebracht wird, früher oder später eine Entscheidung zu treffen. Und selbst wenn ein Angebot angenommen wird, so lässt man sich schnell durch eine Gabe in die Bedrängnis verleiten, auch etwas zurückgeben zu müssen. Natürlich würde ich so etwas nie fordern. Und doch wäre eine einseitige Beziehung ungesund – so würde ich mich auf Dauer ausgenutzt fühlen. Alain Caillé und Marcel Mauss sehen aber gerade im Gabentausch das wichtigste Element für die Bildung und Aufrechterhaltung von sozialen Gesellschaften und Gemeinschaften.

Mir ist auch klar, dass nichts von Dauer ist. Ich glaube jedoch auch daran, dass alle Menschen zumindest die Intention haben, füreinander da sein und eine Gemeinschaft bilden zu wollen. Eine Gemeinschaft oder Beziehungen, die sich aber innerhalb kürzester Zeit wieder auflösen ​könnten, würde aller Voraussicht nach nicht schnell genug ein Zugehörigkeitsgefühl aufbauen können. Natürlich könnte ich mich auch hier eine Weile zuhause fühlen, aber wie soll mir dieses Zuhause Sicherheit geben, wenn morgen alle weg sein könnten? Und will ich meine Kinder in eine Umgebung werfen, die so unsicher ist?

Je mehr Energie, Zeit und Geld (Intention!) man in Beziehungen steckt, desto mehr fängt man an, die Anderen als die wahrzunehmen und anzunehmen, die sie sind – und fühlt sich wiederum selbst angenommen und verstanden (Zugehörigkeit!). Ich habe keine Angst davor, mit jemandem zusammenzuziehen und Kinder zu bekommen: Es mag mich binden – aber diese Bindung bin ich mit meinem vollen Bewusstsein eingegangen und auch mit dem Hinblick, eine Heimat aufzubauen.