Warum Frauen ihre Genitalien* von Frauen massieren lassen sollten**

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photo credit: Paula Rey via Flickr cc

Als ich 2013 begann, die Tantramassage zu lernen, dachte ich, ich wüsste über Sexualität Bescheid. Ich hatte schließlich viel gelesen und viel geübt.

Meine erste Yonimassage (die Massage der Genitalien im Rahmen einer Tantramassage) bekam ich von einer Musiktherapeutin im Rahmen eines „Yonimassage Austauschtages“ bei Melanie Fritz in Nürnberg. Sie war kein Profi, sondern wie alle anderen zum Üben hier. Dennoch war diese Massage ein Schlüsselerlebnis in meiner sexuellen Entwicklung. Ich habe fast die ganze Zeit geweint. Nicht, weil es sich nicht gut angefühlt hätte. Die Massage war ganz wunderbar. Diese Frau, die vom Alter her meine Mutter hätte sein können, brachte mich mit großem liebevollen Einsatz in die Lage, dass ich mich erstmals selbst wirklich spüren und hören könnte. Es gelang mir, meine Gefühle und emotionalen Zustände ungefiltert in Atem, Stimme und Bewegung umzusetzen. Davon war ich in meinem tiefsten Innern berührt.

Schlagartig wurde mir klar, wie wenig ich über Sexualität wusste, und ich begann die „Perlentor“ Ausbildung. Die „Perlentor Massage“ ist eine spezielle Form der Tantramassage, die von Nhanga Grunow eigens nur für Frauen konzipiert wurde. Der besondere Schwerpunkt liegt auf der Massage der Yoni und der Kommunikation dabei. Die Masseurin stimmt ihre Berührungen mit der Empfängerin ab. Sie lädt ihre Empfängerin immer wieder dazu ein, ihr Erleben zu verbalisieren und gibt Feedback darüber, was sie selbst sieht und spürt.

In dieser Massage wird vieles möglich, für das wir für gewöhnlich kein geeignetes Setting haben: Frauen können ihren Körper und ihre Sexualität in aller Ruhe erleben und kennenlernen, ohne Erwartungsdruck von innen oder außen. Alles darf da sein, und oftmals kommen Gefühle hoch, die in „herkömmlichen“ sexuellen Interaktionen selten Platz haben, wie zum Beispiel Trauer, Wut, aber auch spirituelle Erlebnisse. Hier kann geforscht und ausprobiert werden: Weiter links? Langsamer? Was gefällt meiner Yoni eigentlich? Wie finde ich „in meine Lust“? Was passiert, wenn ich große Lust empfinde, aber keinen Orgasmus habe?

Neben der Massage durfte ich in meiner Ausbildung lernen,

  • wie die weiblichen Geschlechtsorgane wirklich aussehen und wie sie funktionieren
  • wie frau ihre sexuellen Bedürfnisse kennenlernen und kommunizieren kann
  • wie Frauen das Ejakulieren lernen können
  • dass im Körper, insbesondere in den Genitalien, Emotionen gespeichert sein können, die sich durch Massage wieder lösen lassen
  • dass man mit Massagen zentrale Lebensthemen bearbeiten kann
  • wie die weibliche Sexualität mit „weiblicher Spiritualität“ zusammenhängt
  • dass es über weibliche Sexualität im Unterschied zu männlicher Sexualität kaum seriöse Forschung gibt und vieles mehr.

Ich habe daraus ein ganz anderes Selbst-Bewusstsein und an Würde gewonnen, als Frau und als sexuelles Wesen. Für mich als relativ junge Frau (Anfang 30) ist das ein ganz besonderes Geschenk. Nicht nur weiß ich über meinen eigenen Körper Bescheid, sondern ich habe auch viel über die verschiedensten Aspekte und Ausprägungen weiblicher Sexualität gelernt. Ganz wichtig ist für mich: Ich bin nicht mehr allein mit meinen Erlebnissen und Erfahrungen, sondern erlebe mich als Teil der „Frauenschaft“, wo sich die Erfahrungen oft ähneln und teilweise sogar als eine „kollektive“ Erfahrung erlebt werden. Fast noch wichtiger finde ich, dass ich weiß, an wen ich mich mit meinen Fragen und Problemen wenden kann.

Schwierigkeiten im Bereich der Sexualität sind immer noch ein großes Tabu, über das kaum gesprochen wird. Vor allem, wenn es keine physischen und messbaren Ursachen gibt, wissen Frauen oft nicht, wo sie Hilfe bekommen. Seriöse und gut ausgebildete Frauenmasseurinnen füllen hier eine wichtige Nische aus.

Ich frage mich oft, wie mein Leben, insbesondere mein Sexualleben wohl ausgesehen hätte, wenn ich all dieses Wissen und die Erfahrung mit meinem eigenen Körper früher gehabt hätte. Vielleicht sogar vor meinen ersten sexuellen Erfahrungen mit Jungs/Männern?

Darum ist es mir ein großes Anliegen, dass Frauen, insbesondere junge Frauen darum wissen, dass es die Frauenmassage gibt. Und dass es uns gibt: eine ganze Reihe gut ausgebildeter und seriöser Tantramasseurinnen und speziellen Frauenmasseurinnen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung gerne weitergeben.

* Was für ein schreckliches, steriles Wort. Es gibt keine schöne, respektvolle, allgemein bekannte Bezeichnung für das gesamte weibliche Genital. Bezeichnend, oder? Vulva und Vagina klingen zwar schön, beziehen sich aber nur auf den äußeren bzw. inneren Bereich. Außerdem sind es Fremdwörter und Fachbegriffe. Ich bevorzuge „Yoni“, auch wenn dieser Name nicht aus unserer eigenen Sprache stammt. Den kennt aber nicht jede*r. Darum bin ich bei „Genitalien“ geblieben. Vorschläge sind willkommen!

** Ich betone in diesem Artikel die Vorzüge der Erforschung der weiblichen Sexualität unter Frauen. Damit will ich keinesfalls sagen, dass Frauen sich nicht von Männern massieren lassen sollten. Das ist ein eigenes, wundervolles Thema und soll an anderer Stelle besprochen werden.

Herzlichen Dank an Eva, die ihr Leben nach eigener Aussage der Schönheit und der Zwischenmenschlichkeit gewidmet hat, für einen weiteren berührenden Artikel in unserem Blog. Sie arbeitet seit 2013 hauptberuflich als Tantramasseurin. Man kann ihre Massage hier erleben.

Wir sind gespannt, wie ihr über dieses Thema denkt und ob ihr schon Erfahrungen damit hattet – bitte teilt eure Gedanken mit uns in den Kommentaren!