Die Beziehung für Liebe mit Anderen öffnen?

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Polyamorie wird gerade modern. In den Medien erfährt das Wort eine immer größeren Beliebtheit wie z.B. hier oder hier. Eigentlich müsste man sich als Monogamie-kritisch-denkender Mensch wie ich darüber freuen. Ich finde es dann aber doch manchmal kritisch, wofür das Wort Polyamorie verwendet wird. Polyamorie ist nach meinem Verständnis eben nicht, dass man einen festen Partner (Primary) und nebenher einige Affären hat – insbesondere wenn diese auch noch dem Primary verheimlicht werden oder man zusammen sich darauf einigt, nicht mit dem Anderen über die Affären zu reden.

Im Gespräch mit vielen Menschen ist mir aufgefallen, dass sie aus Sex ohne Liebe nicht viel für sich gewinnen können. Wenn man aber trotzdem die Beziehung öffnet und sich dann „aus Versehen“ emotional auf eine weitere Person einlässt, ist das schlechte Gewissen in einer offenen Beziehung/offenen Ehe vorprogrammiert. Aber hey, dann ist man halt polyamorös, weil es ja dann ok ist, wenn man sich auch verliebt. Dann muss man kein schlechtes Gewissen haben und kann intensiveren Sex mit anderen haben.

Alleingänge führen zu Chaos

Wenn man aber mit seinen Affären dann trotz der Liebe keine Beziehung eingeht, ist das aus meiner Sicht eine Farce. Das Drama ist vorprogrammiert, da Verlustängste bei Menschen mit Bindungswünschen auf allen Seiten aufkommen können, wenn die neuen Partner nicht in das Beziehungsgeflecht eingebunden werden. Der Primary wird befürchten, er wird wegen der Affäre verlassen, und die Affäre wird sich mit zunehmender Liebe mehr Bindung wünschen, die auf Grund der (ziemlich monogamen) Hauptbeziehung aber nicht möglich ist. Die Bindung mit mehreren Menschen kann eben nur funktionieren, wenn die Metamoure sich so gut miteinander verstehen und vertrauen, dass No-Gos oder einschränkende Beziehungsregeln gar nicht nötig sind – oder gar alle zusammen ein gemeinsames Leben haben.

Natürlich ist diese Art der Polyamorie (also Polyfidelity oder Polygamie) nicht die einzige Art, wie man mehrere Menschen lieben kann, aber es kommt den Bedürfnissen nach Bindungen und Verbindlichkeiten am nächsten. Wer gerne andere ohne extrem starke Verflechtungen zwischen den Beziehungspartnern lieben möchte, der sollte sich mit Solo-Polyamorie und freier Liebe auseinandersetzen. Diese Form ist besonders passend für Menschen, die ein starkes Bedürfnis nach Freiheit oder Autonomie haben (siehe auch den Artikel von peregrin Flying Solo). Wie ich bereits im Artikel Solo-Polyamorie – was bleibt? erklärt habe, passen für meine Bedürfnisse nach Verbindlichkeit und Bindung besser Polyfidelity oder Polygamie. 

Eigene Erfahrungen

Versteht mich nicht falsch, ich will hier niemanden wegen seines Umgangs bzw. Experimenten die Beziehung zu öffnen, verurteilen. Ich habe es bis heute selbst nicht geschafft, ein polyfideles Netz aufzubauen, obwohl das – wie gesagt – meine persönliche Traumvorstellung wäre. Ich glaube, mein größter Fehler bestand darin, dass ich immer versucht habe, mehrere Beziehungen gleichzeitig anzufangen. Ich hatte dadurch viele interessante Frauen in meinen Leben, die dann aber statt mit mir mit jemand anderem etwas Errnsteres angefangen haben. Ich habe anscheinend den Eindruck gemacht, meine Liebe sei bei so viel Interesse an unterschiedlichen Menschen willkürlich. Da ich lange Zeit von mir selbst als Maßstab der Dinge ausgegangen war, war es für mich normal, dass man sehr schnell starke Liebesgefühle für andere Menschen entwickeln kann. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich anscheinend anders bin als die meisten Menschen, da der Großteil der Menschen sich nicht so häufig und intensiv wie ich verliebt. Kein Wunder, dass andere Menschen denken, meine Liebe wäre willkürlich – jedoch fühlt sich für mich die Liebe genauso stark an wie bei monogamen Menschen, die sich immer nur in einen Menschen besonders stark verlieben.

Aber selbst wenn ich eine Person kennengelernt hätte, die gerne eine intensivere Beziehung mit mir hätte anfangen wollen, hätte ich durch die vielen Frauen auch nicht den Raum gehabt, dies zu bewerkstelligen. Das ist aber mehr ein Problem des Zeitmanagements als der Gefühle. Vielleicht ist es tatsächlich der beste Weg, wenn ich erst mal eine (monogame?) Hauptbeziehung habe und dann nach und nach – und nur in sehr enger Abstimmung mit dem Partner – weitere Partner dazu nehme? Zumindest habe ich nun, da ich zum ersten Mal seit zehn Jahren vollkommen Single bin, die Möglichkeit eine Beziehung anders anzugehen.