I crave intimacy to the same burning degree that I detest commitment
„Ich sehne mich nach Intimität in dem gleichen Ausmaß, wie ich Verpflichtungen verabscheue.“
Die Überschrift ist ein Zitat aus „The Art of Asking“ von Amanda Palmer, welches sie vor ein paar Wochen auf Facebook gepostet hat. Es hat mich sofort angesprochen, obwohl ich es in einigen Aspekten problematisch finde. Da ihr Buch aber erst in einem Monat erscheint, werde ich es erst dann in dem eigentlichen Kontext lesen können. In meinem Porcupine-Artikel habe ich schon darüber geschrieben, wie schwer es mir zeitweilig fällt, mich anderen Menschen zu öffnen, mich verletzlich zu machen, einen Zugang zu mir zuzulassen. Es gibt eine Seite in mir, die nach Autonomie strebt, der Möglichkeit, sich frei zu bewegen, frei über meine Zeiteinteilung zu entscheiden. Aber ich habe gelernt, die Verletzlichkeit zu schätzen, die ich im Zusammensein mit vertrauten Menschen und Gleichgesinnten zeigen kann. Dieser Autonomie-Gedanke hat übrigens nichts damit zu tun, dass ich meine Entscheidungen losgelöst und ohne Rücksicht auf die wichtigen Menschen in meinem Leben treffe. Natürlich versuche ich hier, Wünsche und Bedürfnisse mit meinen eigenen in Einklang zu bringen, und diese Menschen haben auch einen großen Einfluss darauf, wie meine Entscheidungen aussehen. Aber ich kann diese Verhandlungen mit all diesen Menschen individuell führen, ohne dass es einen oder mehrere spezielle Menschen in meinem Umkreis gibt, denen ich das Recht gewähre, Einspruch bei meinen Entscheidungen einzulegen. Ich finde es wichtig, für mich selbst entscheiden zu können, welche Beziehung in meinem Leben gerade vielleicht besondere Aufmerksamkeit benötigt, welchen Menschen ich speziell unterstützen möchte. Mein Unwohlsein bei dem Gedanken, Commitment zu zeigen, kommt im Übrigen vor allem in romantischen Beziehungen zum Tragen, und das hat verschiedene Ursachen: auf der einen Seite habe ich das Gefühl, dass dies oftmals gefordert wird, ohne dass eine Beziehung überhaupt eine sinnvolle Grundlage hat, auf der anderen Seite scheint die Art, wie Commitment auszusehen hat, in diesen Beziehungsformen eher übergestülpt zu werden, als sich natürlich mit der Beziehung zu entwickeln. Durch meine stark ausgeprägte Neigung, mein Leben auf meine Weise zu gestalten, tauchte in vergangenen Beziehungen durchaus der Vorwurf auf, ich würde nicht genügend Commitment zeigen, und mir war immer etwas unklar, wie genau so etwas aussieht.
Da unser Blog deutschsprachig ist, ist es jetzt allerdings notwendig, dass Wort Commitment halbwegs vernünftig für die folgende Verwendung in dem Artikel zu übersetzen. Ich tue mich etwas schwer damit, aber am ehesten funktionieren hier die Worte:
- Verpflichtung
- Festlegung
- Engagement
- Verbindlichkeit
- die Bekenntnis zu einer Sache/Person.
So wie ich das englische Wort verstehe, passt keine der deutschen Übersetzungen wirklich gut, aber jede Übersetzung vermittelt einen Aspekt davon. Verpflichtung wird am ehesten verwendet, für mich schwingt in diesem Wort zu stark der Aspekt des Zwangs mit.
In einem monoamoren Beziehungsstil lassen sich die Verpflichtungen, die man mit einer Beziehung eingeht, oft recht gut herauskristallisieren: der Partner nimmt einen Prioritätsstatus ein, man konzentriert seine zeitlichen, emotionalen Ressourcen auf diese Person, und dieser Mensch hat einen Anspruch darauf, dass er oben in der Rangliste steht, wenn es um Hilfeleistungen und Unterstützungen und sexuelle Exklusivität geht. Eine Form von Verpflichtung in polyamourösen Beziehungen kann zum Beispiel das Recht eines Partners sein, ein Veto einzulegen, was die Beziehung zwischen dem Partner und dem Metamour betrifft (seien es Beziehungsterminierungen, zeitliche oder emotionale Begrenzungen). Aber wie sehen Verpflichtungen in romantischen Beziehungen zwischen zwei Menschen aus, wenn diese Beziehung nicht dem anerkannten Verlauf einer Beziehung folgt? Wenn Partner sich nicht dafür entscheiden, zusammenzuziehen /gemeinsamen Wohnraum zu kaufen, Finanzen zu verweben, Kinder zu bekommen, zu heiraten? Und was genau bedeutet eigentlich Verpflichtung für eine Beziehung?
Ich vermute, dass es für viele Menschen wichtig ist, in ihren Beziehungen eine gewisse Form von Stabilität zu erleben. Verpflichtungen sind ein Beweis dafür, dass das man die Intention hegt, langfristig in diese Beziehung zu investieren. Sehr wenige von uns sind vermutlich in der Lage, sich ständig stark schwankenden Gegebenheiten in zwischenmenschlichen Beziehungen anzupassen und sich dabei sicher zu fühlen. Ich gehe auch davon aus, dass emotionale Geborgenheit und Sicherheit zentrale Gründe sind, warum wir Beziehungen emotionaler Natur eingehen. Es steht außer Frage, dass niemand eine Garantie geben kann, wie sich Gefühle und äußere Umstände einer Partnerschaft zukünftig ändern werden, aber Verpflichtungen, die man eingeht, können dem Gegenüber eine Bestätigung sein, dass beide Parteien die Beziehung ernst nehmen.
Letztendlich kann nur ich entscheiden, ob ich mich einem Menschen verpflichten möchte. Das Ausmaß von Engagement und Verbindlichkeiten, die ich in eine Beziehung investieren möchte, kann ich nur mit mir selbst ausmachen, und niemand kann mir von außen vorschreiben, was denn nun „normal“ in Beziehungen ist und was man „eben so macht“. Ich möchte nicht, dass standardmäßig davon ausgegangen wird, dass ein neuer Partner auf einmal Vorrang vor Freunden hat, dass er ein Recht darauf hat, zu wissen, was in meinem Terminkalender steht, dass der Partner automatisch Mitbestimmungsrecht über meine Zeit und andere Beziehungen hat. Das alles sind Dinge, die in meiner Entscheidungsgewalt liegen und die ich je nach Person unterschiedlich aushandeln kann.
Das Engagement, das man in Beziehungen einbringt, sieht auch je nach Person anders aus. Es gibt Menschen in meinem Leben, die ihre Zuneigung und ihr Investment schon allein dadurch zeigen, dass sie in ihrem überladenen Terminkalender ein Wochenende für mich freischaufeln (was für andere Menschen, die weniger verplante Zeit haben, kein großer Akt ist), einige zeigen ihr Engagement eher durch Körperlichkeiten, andere durch Unterstützung von Projekten oder Aspekten in meinem Leben, die mir wichtig sind. Wenn das Bekenntnis zu einem Menschen und das damit einhergehende Engagement nur ein Gesicht haben, nur auf eine bestimmte Weise ausgedrückt werden kann, ist es natürlich leicht, allen anderen Varianten vorzuwerfen, sie würden nicht ausreichen.
In diesen Aspekt spielt zusätzlich noch hinein, dass wir alle Vorstellungen davon haben, wie Verpflichtungen für uns idealerweise auszusehen haben: unser Elternhaus, Medien, vielleicht sogar frühere Beziehungen haben uns beigebracht, welche Formen Engagement annehmen sollte. Das Problem dabei ist, dass wir damit erst einmal gegenüber anderen Formen von Commitment blind sind, diese vielleicht sogar für uns weniger wert sind. Es ist übrigens eine gute Frage, ob Verbindlichkeiten automatisch ab einem gewissen Maß an Intensität, Dauer und Verflochtenheit entstehen, ob eine Erwartungshaltung, die dabei beim Gegenüber entsteht, gerechtfertigt ist.
All diese Überlegungen haben nicht dazu geführt, dass ich tatsächlich konkretere Vorstellungen habe, wie Commitments in Beziehungen jetzt tatsächlich aussehen sollten oder wie viel davon nötig ist, um eine gute Grundlage für eine fruchtbare Beziehung zwischen zwei Menschen zu bilden. Aber ich halte es für einen guten Anfang, diese Dinge für jede einzelne Beziehung individuell auszuhandeln und wenn aus solchen Verhandlungen der gemeinsame Konsens für eine monoamore Beziehung mit Kindern, Haus und Heirat entsteht, in dem beide Partner ihre Zeit nur gemeinsam verplanen, weil beide es sich so wünschen und dieses Bedürfnis haben, dann halte ich das für ein wesentlich stabileres Grundgerüst als die standardmäßige Vorannahme, dass das „halt so gemacht wird“.
Ich habe folgende Punkte gefunden, zu denen ich mich in sämtlichen engeren Beziehungen verpflichten würde:
Ich übernehme die Verantwortung für meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse, versuche diese zu ergründen und meinen Partnern und Freunden offen und ehrlich zu kommunizieren.
Ich verpflichte mich dazu, die Emotionen und Bedürfnisse meines Gegenübers ernst zu nehmen.
Ich möchte meinen Beziehungen den Raum geben, zu wachsen und sich individuell den Umständen und den Bedürfnissen der einzelnen Beteiligten anzupassen.
Ich werde Zusagen, die ich gebe, respektieren und, sollte sich irgendetwas an meinen Wünschen und Bedürfnissen ändern, diese so schnell wie möglich an meine Partner/Freunde kommunizieren.