Wann ist es Sex?
Telefonat unter guten Freundinnen. Natürlich landet man irgendwann beim Thema Sex. Aber plötzlich gemeinsames Innehalten bei der Frage: Was ist ein Sexpartner?
Früher – so in Jugendzeiten, als ich noch nicht aktiv in der BDSM- und Poly-Szene unterwegs war – war das eine recht einfach zu beantwortende Frage. Heute bin ich geneigt, unzählige Gegenfragen zu stellen:
Muss ein Penis in einer Vagina gesteckt haben?
Ist dann halt doof für Homosexuelle, weil die nach dieser Definition überhaupt nie Sex hätten.
Muss jemand einen Orgasmus gehabt haben?
Ist blöd für alle, die nicht zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk jedes Mal kommen. Und das ist halt bei vielen so.
Muss man nackt zusammen in einem Bett liegen?
Damit kommt man ein bisschen hin, aber tatsächlich nur ein kleines bisschen. Man kann auch einfach nackt zusammen im Bett liegen und über künstliche Intelligenz diskutieren, ohne sexuell aktiv zu werden. Oder „nur“ kuscheln. Ganz abgesehen davon, dass viele Sex oder sexähnliche Praktiken auch im Freien praktizieren. Oder nur schnell den Rock lüpfen und gar nichts extra ausziehen.
Und zählt es, wenn man
- „nur“ Schmerzen teilt, oder
- einen Dreier hat und dabei zu zweit die dritte Person zum Orgasmus bringt oder
- nackt kuschelnd mit vielen anderen Menschen auf einem Haufen liegt oder
- …?
Wenig statistische Aussagekraft
Statistisch gesehen haben laut einer GfK-Studie Männer in Deutschland 7,4 und Frauen in Deutschland 4,3 Sexpartner. Das sind allerdings bisherige Sexpartner und es wurden alle Altersstufen befragt, man kann also annehmen, dass die finale Zahl am Lebensende noch etwas höher sein wird.
Was man immer bedenken sollte: Die wenigsten Menschen antworten bei solchen Umfragen wirklich ehrlich. Selbst wenn die Studien anonym durchgeführt werden, neigen Menschen dazu, sozial erwünschte Antworten zu geben – d.h. Männer runden ihre Sexpartnerzahl womöglich etwas auf, während Frauen ihre abrunden.
Außerdem kann eine hohe Anzahl an Partnern auf verschiedene Arten zustande kommen. Natürlich gibt es die klassischen Mehrfachbeziehungen, in denen es auch regelmäßig neue Partner gibt. Aber auch mit monogamem Ansatz bekommt man einige Partner hin, wenn man beispielsweise Beziehungen mit kürzerer Dauer pflegt und zwischen den Beziehungen womöglich noch gelegentlich One Night Stands hat. Die Zahl der Sexpartner ist insofern sehr oberflächlich, da sie nichts über die Tiefe der Begegnungen aussagt.
Intimität in sexuellem Kontext
Dabei sollte gerade das ein entscheidendes Kriterium sein. Wenn ich mir meine eigene Definition von Sexpartner zusammen bastle – eine, bei der ich das Gefühl habe, dass alle relevanten Menschen auftauchen –, dann bezieht diese das ein. Sexpartner sind für mich Menschen, mit denen ich tendenziell nackt Gefühle geteilt habe, oft sexuelle Gefühle, oft „nur“ Schmerzgefühle. Gemeinsam ist allen, dass wir einen intimen Moment in sexuellem Kontext miteinander geteilt haben. Mir ist es bei solchen Begegnungen wichtig, dass ich „ich“ sein kann – ich habe darüber auch schon in einem anderen Artikel ausführlich geschrieben. Ich suche nach dem ehrlichen, unverfälschten, rigorosen Anteil in mir, um für ein paar Momente loszulassen und den Alltag zu vergessen.
Ich komme nach dieser Definition übrigens auf ca. 15 Sexpartner, wobei 5 allein auf letzte Jahr entfallen. Die Zahl enthält mittelfristige Spielbeziehungen ebenso wie Einmalgeschichten auf Partys. Ob man das jetzt viele oder wenige sind, kann ich nicht beurteilen. Ich kenne sowohl Menschen mit mehr als auch mit weniger Partnern. Es besteht auch gar keine Notwendigkeit, das einzustufen und zu beurteilen – viel wichtiger ist aus meiner Sicht, dass es einem bei jedem seiner Partner gut geht. Und dann ist es egal, ob man „Sex“ oder was-auch-immer dreimal am Tag oder dreimal im Leben macht.