Ein paar Worte zur Kommunikation von Bedürfnissen
Ein unerfülltes Bedürfnis kann ein gemeiner Begleiter sein. Manchmal fühlt es sich nur an wie ein kleines Piksen irgendwo in der Herzgegend. Aber manchmal, da fühlt es sich an wie ein tiefer Stich, in dessen Loch man alles stopft, von dem man nicht genug bekommen kann. Und nach einiger Zeit würde man alles dafür tun, dieses Loch wieder zu schließen. Wir alle haben unsere kleineren und größeren schwarzen Löcher und es ist okay, dass sie da sind. Trotzdem ist es wichtig über unsere Bedürfnisse zu reden, um für uns zu sorgen. Spätestens in meiner letzten Beziehung habe ich da ein paar Erkenntnisse dazu gewonnen und die möchte ich hier einmal mit euch teilen 🙂
Eine der wohl häufigsten Fragen, die ich mir gestellt habe, ist:
Inwiefern ist meine Beziehung für meine Bedürfnisse verantwortlich?
Dabei habe ich für mich festgestellt, es gibt Bedürfnisse, die nur in der betreffenden Beziehung befriedigt werden können, zum Beispiel das Bedürfnis nach emotionaler Intimität. Ich kann noch so viel emotionale Intimität mit Freunden oder anderen Beziehungspartnern erleben, sie wird nie das Gefühl von Mangel in der betreffenden Beziehung verändern. Das ist etwas was meine Beziehung und ich nur gemeinsam befriedigen können. Aber nicht alle Bedürfnisse stehen in so direktem Bezug zu meiner Beziehung. Wir sollten uns also zuerst fragen welche Bedürfnisse an eine spezifische Beziehung geknüpft sind und welche nicht.
Alle anderen Bedürfnisse können wir auf sehr unterschiedliche Arten befriedigen, wir können uns selbst, oder in der Beziehung darum kümmern. Outsourcing zu Freunden oder anderen Beziehungspartnern ist eine weitere Möglichkeit: Wenn mein Freund das Bedürfnis nach Bewegung hat, ich aber höchstens mal mit ihm wandern gehe, dann kann er alle Extremsportarten, die ihm einfallen, gerne mit anderen teilen. Nicht-monogame Beziehungen bieten außerdem die Möglichkeit, Bedürfnisse, welche sonst explizit an die Partnerschaft geknüpft sind auszulagern, wie zum Beispiel unterschiedliche Bedürfnisse nach Sexualität. Wie in allen Beziehungen ist es nur wichtig, da die richtige Ausrichtung für sich zu finden.
Dabei sind ein paar kommunikative Aspekte für mich besonders wichtig:
Explizite statt implizite Kommunikation!
Wenn bereits ein größerer Mangel besteht, empfinde ich es als besonders wichtig, in der Beziehung explizit nachzufragen oder zu bitten und gemeinsam eine Lösung zu finden. Implizites Ausdrücken von Bedürfnissen, zum Beispiel ein sexy Outfit anzuziehen, weil man gerade einen Mangel an Sexualität verspürt, kann schnell zu Frustration und Druck führen. Bei einem kleineren Mangel mag das nicht so tragisch sein, ist dieser jedoch größer kann implizite Kommunikation schnell mal die Frustrationsgrenze erreichen. Explizite Kommunikation bietet nicht nur die Möglichkeit einen Mangel deutlich zu machen, sondern auch über Ursachen und Lösungen zu sprechen.
Authentisch bleiben.
Dabei empfinde ich es als besonders wichtig, zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen und nicht etwa dort mit dem Gespräch anzufangen, wo man glaubt, der Partner sei aufgeschlossen. Nur wenn ich da ehrlich zu mir selbst und meinem Partner bin, können wir eine authentische Beziehung führen und Missverständnisse vermeiden.
Gefühle, Bedürfnisse und Strategien sind verschiedene Dinge.
Diese Differenzierung halte ich für unheimlich wichtig, um gewaltfrei seine Bedürfnisse kommunizieren zu können. Ein Gefühl ist das, in dem sich unser Mangel an dem Bedürfnis ausdrückt, also zum Beispiel Trauer, Wut, Einsamkeit, Frustration. Eine Strategie ist eine Möglichkeit mit dem Bedürfnis umzugehen. Nehmen wir mal als Beispiel das Bedürfnis nach Nähe. In einem Gespräch kann man das kommunizieren und sagen: „Hey, ich brauche mehr Nähe und meine Strategie ist da viel mit dir zu chatten.“ Dann kann der Partner darauf eingehen, oder eine andere Strategie vorschlagen. Das geht nicht, wenn man im Gespräch bei seinem Gefühl anfängt: „Hey, ich fühle mich einsam und ich möchte mich mit dir nie wieder so fühlen!“ Für mich ist das eine wirklich schwierige Aussage. Es sagt mir nichts darüber, was der Person wirklich fehlt und wo sie Lösungen sieht. Eigentlich sagt mir das nur, dass dieser Mensch die Verantwortung für seine Gefühle nicht übernimmt, sondern an mich abgeben möchte und diese Rolle möchte ich nicht übernehmen.
Raum für Möglichkeiten lassen!
Als besonders wichtig bei der Bedürfniskommunikation empfinde ich es, Partnern Raum zu geben, wie auf eine Bitte reagiert wird und nicht vorgefertigte Strategien als unumgänglich anzusehen. Es ist immer gut eine Idee davon zu haben, was einem hilft, aber hier sollte man vorsichtig sein, sonst wird aus dem Dialog schnell ein Monolog und aus der Bitte eine Forderung. Es gibt in einer Beziehung aber niemanden mit Bringschuld. Eine Beziehung wird von zwei Menschen gestaltet, deswegen sollte ein unerfülltes Bedürfnis innerhalb der Beziehung als gemeinsames Problem betrachtet werden, für welches gemeinsam nach Lösungen gesucht wird.
Es muss okay sein Nein zu sagen und darf nicht mit negativen Konsequenzen verbunden sein. Das ist der Unterschied zwischen einer Bitte und einer Forderung. Bedürfnisbefriedigung kann nicht eingefordert werden. Es scheint verlockend, sich einen oder sogar mehrere Menschen zu suchen, die den eigenen Mangel stillen. Aber auch wenn eine Beziehung mal aus einem Bedürfnismangel heraus entsteht, steht dahinter doch immer eine Beziehung mit jemandem, der aus mehr als nur dieser gemeinsamen Komponente besteht. Wenn wir aber anfangen, Menschen danach für uns als wertvoll zu betrachten, welche Bedürfnisse sie befriedigen, dann fangen wir an sie nicht mehr als mündige, komplexe und einzigartige Menschen, sondern als Objekte zu sehen.