Mein erstes Wohlfühl-Safeword

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Wahrscheinlich kann ich an einer Hand abzählen, wie oft ich bisher ein Safeword benutzt habe. Gut möglich, dass ich zwei Hände brauche, um abzuzählen, wie oft es zusätzlich sinnvoll gewesen wäre.

Ich habe Schwierigkeiten mich dazu zu überwinden ein abgesprochenes oder „allgemeingültiges“ Safeword auszusprechen. Zum Einen, weil ich mich frage, ob es wirklich zu viel ist, ob es berechtigt ist oder ob ich dann einen potentiell schönen Moment kaputt mache. Zum Anderen, weil von mir schon mal ein Safeword übergangen wurde. „Ist das dein Ernst?“, reagierte er noch drauf. Das war mein Ernst, doch ich konnte mich nicht vernünftig aus der Situation retten. Seit dem habe ich Angst davor, dass mein Safeword wieder übergangen wird, wenn ich eines sage.

Das liegt mittlerweile fünf Jahre in der Vergangenheit und begleitet mich immer noch. Mir istbewusst, wie verdammt schlecht das ist, wenn man spielen will. Als Bottom ist es für mich schwieriger als, wenn ich oben spiele, weil ich da weniger Kontrolle über die Situation habe. Wie kann Top sich sicher sein, dass er noch in einem guten Bereich und nicht zu weit gegangen ist?

Eigentlich gar nicht. Und das ist ein Problem.

Mit meinem letzten Spielpartner haben wir gegenseitig immer wieder Ampelfarben abgefragt. Dabei werden die Farben Grün, Gelb, Rot genutzt, um auszusagen, ob alles in Ordnung ist, man sich der Grenze nähert oder diese überschritten wurde. Anfangs nutzten wir es öfter, nach der Zeit aber immer weniger, da man in etwa die Reaktionen einschätzen konnte. Trotzdem ist das immer noch keine Lösung, die alleine dauerhaft gut funktioniert.

Einige Male habe ich es einfach nicht geschafft richtig zu kommunizieren, wenn mir etwas zu viel wurde. Es waren nur „Kleinigkeiten“, doch auch solche kleinen Erlebnisse summieren sich irgendwann im Kopf auf. So kann es sich zuspitzen und das behindert beim Spielen total. Daher wurde das auch zu einem Thema in meiner Therapie. Die Strategie für dieses Problem war:

Üben ein Safeword zu sagen.

Das Üben sollte laut meiner Therapeutin bestenfalls folgendermaßen aussehen:

1. Der therapeutische Ansatz.

Damit dieser erfolgreicher ist, sollte mein Spielpartner vorher nichts von dem Vorhaben wissen. Ich verstehe den Punkt. Wenn er vorher davon wüsste, würde mein Kopf eventuell behaupten „Das hat er jetzt nur berücksichtigt, weil das vorher zum Üben so abgesprochen war.“ Ebenso kann ich mich gut in seine Position in dem Moment hinein fühlen, wenn auf einmal ein Safeword gesagt wird. Ich wäre erstmal alarmiert, würde aufhören, schauen, was los ist und mir sehr wahrscheinlich auch tierische Sorgen machen, was ich jetzt falsch gemacht haben könnte. Demnach bin ich mit dem Punkt nicht ganz einverstanden.

2. Das Safeword sagen.

Auch wenn es in dem Moment nicht nötig wäre.

Gut, in einer sicheren Umgebung üben, wo in der Hinsicht kaum bis kein Risiko existiert, klingt sehr sinnvoll. Man sollte es aber nicht übertreiben. Und ich persönlich würde dafür keine wunderschöne Situation unnötig kaputt machen wollen. Das ist alles also situationsabhängig.

3. Den Erfolg spüren.

Es gesagt zu haben und bestenfalls die gute Reaktion genießen und sich bewusst klar machen, dass das Vertrauen gerechtfertigt ist. Im Normalfall sollten Absprachen eingehalten und aufeinander mit Respekt geachtet werden.

Vor ein paar Wochen war es dann so weit und ich traf mich zum ersten Mal persönlich mit einem Spielpartner. In einer Session wurde es mir ab einem Punkt zu viel und ich sprach das Safeword aus. Ich sagte „Stopp“. Ohne, dass es eine explizite therapeutische Handlung von mir war, habe ich dennoch einen großen Schritt in die Richtung meines Ziels machen können.

Ich habe es getan! Ohne zu zögern! Ich bin mega stolz auf mich!

Und das beste daran?

Er hat direkt reagiert. Er hörte auf, nahm mich in den Arm, fragte, ob wir komplett aufhören sollen, band mich nach einem „ja“ meinerseits los und brachte mich zum Kuscheln auf das nahegelegene Bett. Und auch weiterhin kümmerte er sich noch ziemlich schön um mich.

Ich habe mir nie vorstellen können, dass eine Situation, in der ich ein Safeword benutze, im Nachhinein so schön sein kann. Tatsächlich bin ich der Überzeugung, dass das das Beste war, was mir am Anfang mit ihm passieren konnte. Das hat das Vertrauen direkt um ein Vielfaches gestärkt. Zu realisieren, dass das die normale Reaktion sein sollte, hat gleichzeitig auch ziemlich weh getan.

Alles in allem bin ich sehr stolz und dankbar, dass ich diese ausnahmslos positive Erfahrung machen durfte.

Dass Top Reaktionen von Bottom erkennen und deuten kann, halte ich für einen unumgänglichen Bestandteil einer Session. Trotzdem bin ich der Meinung, dass ein Safeword zur Notfall-Absicherung dazu gehört und mittlerweile bin ich auch in der Lage es zu nutzen. Üben ist und bleibt dennoch eine gute Idee. Vielleicht nicht unbedingt genau so, wie meine Therapeutin es vorschlug, aber so, wie es sich für mich am besten anfühlt.

Danke dir Madleene für’s Teilen deiner Erfahrung, ich denke du kannst anderen damit ein gutes Vorbild sein! Ansonsten bewegt Madleene sich größtenteils in der Ruhrgebiets-Szene. In einem kinky bis nerdy Umfeld fühlt sie sich am wohlsten und ist der stolzen Überzeugung, dass sie damit eines der ultimativen Klischees erfüllt.