Bitte, bitte ehrlich und keine höflichen Bemerkungen übers Wetter!
Pablo hat letzten Monat in Frag mich doch einfach! darüber geschrieben, dass es ihm teilweise noch schwer fällt, offen zu kommunizieren. Ich möchte an dieser Stelle anknüpfen und davon erzählen, wie absolut genial ich offene Kommunikation finde – selbst wenn es um Zurückweisungen geht! Viel schwieriger finde ich bisweilen, herauszufinden, was ich will. Denn bei offener Kommunikation ist es hilfreich, zumindest eine grobe Ahnung von seinen eigenen Wünschen zu haben.
Abhängig von der Umgebung
Offene Kommunikation hängt bei mir stark vom Umfeld ab, in dem ich mich bewege. Als ich ein paar Tage auf einer Veranstaltung für Erwachsene verbracht habe, ist mir das besonders aufgefallen. Wenn alle offen miteinander sprechen, fällt es zumindest mir viel leichter, ebenfalls Klartext zu reden. Klartext heißt ja nicht, dass man grob wird: Es geht darum, klar zu kommunizieren, ob man jetzt Lust hat, mit der Person zu kuscheln, zu hauen oder was auch immer. Und wenn nicht, ist die Info hilfreich, ob nur jetzt im Moment nicht oder dauerhaft nicht mag, weil die andere Person z.B. nicht der Typ von einem ist. Das Angenehme daran: Die Ungewissheit ist raus. Ab jetzt bewegt man sich viel sicherer im gegenseitigen Miteinander und kann einschätzen, ob man die Person über den Arm streicheln kann oder ob sie nur zu höflich ist, um die Flucht zu ergreifen.
Man muss nicht jedes kleine Detail abfragen. Allerdings empfinde ich es mittlerweile als sehr höflich, gefragt zu werden, ob ich eine prinzipielle Annäherung möchte oder nicht. Denn gerade bei körperlichen Annäherungen besteht die Abweisung darin, auf Abstand zu gehen, wenn man die andere Person nicht kennenlernen möchte. Wenn dann aber beide Parteien gerade ihre schüchterne Phase haben, bringt im blödesten Fall niemand den Mund auf und es herrscht peinlich berührtes Schweigen. Womöglich hat man sich sogar bedrängt gefühlt.
Mit Zurückweisungen umgehen
Doof ist es, wenn man sein Gegenüber mit so viel Offenheit überfordert. Das kann vorkommen – meiner Erfahrung nach hilft es, hier in Ruhe zu warten, bis die andere Person sich wieder gefangen hat. Gegebenenfalls auch nochmal die Regeln des Spiels erläutern, also dass es völlig okay ist, Nein zu sagen. Man kann das natürlich auch jederzeit auf alle anderen Bereiche außerhalb von Beziehungen übertragen. Idealerweise gewöhnen sich alle Freunde um einen herum daran, wodurch es insgesamt viel mehr zur Gewohnheit wird.
Und klar ist es doof, wenn ich dann zurückgewiesen werde. Aber da es bei mir immer noch eine Überwindung darstellt, überhaupt die Frage zu stellen, ob denn zwischen uns was-auch-immer passiert, bleibt oft auch ein gewisser Stolz zurück. Darauf, dass ich mich getraut habe, zu fragen und klare Verhältnisse zu schaffen. Damit habe ich es versucht, und es ist okay, zu scheitern, nachdem man sich bemüht hat. Da ich andere Menschen und ihre Beziehung zu mir gern grob einschätzen kann, hilft mir das auch sehr, weil ich dadurch weiß, woran ich an der anderen Person bin. Denn ich will – genauso wie Pablo – auf gar keinen Fall jemanden belästigen, der sich womöglich total genervt oder bedrängt fühlt von mir.
Was soll ich eigentlich kommunizieren?
Was ich mit am schwierigsten finde, ist aber, zu wissen, was ich eigentlich will. Gerade am Anfang, wenn ich Menschen erst kennenlerne, kann sich das bei mir auch schnell ändern. Erst ist die Person toll, dann nimmt es wieder ab, ein paar Tage später entdecke ich eine neue unerwartete Eigenschaft. Wenn dann noch eine stressige oder ereignisreiche Phase in meinem Leben ist, kostet es mich durchaus Energie, meine Gefühle der Reihe nach aufzusplitten und zuzuordnen. Und anschließend der Reihe nach ehrlich zu kommunizieren (sofern nötig).
Leider kann das auch mal mehrere Wochen dauern, es ist für mich aber nichtsdestotrotz der beste Weg. Ich liebe klare Verhältnisse und halte nichts davon, sich aus falsch verstandener Höflichkeit um ehrliche Ansagen zu drücken. Mir fällt es mittlerweile schwer, Beziehungen zu Menschen aufzubauen, bei denen ich nicht weiß, wie sie denken. Ich stehe zu den Menschen, die mir wichtig sind, und möchte auch umgekehrt wissen, ob ich ihnen wichtig bin oder nicht.