Buchrezension: Wild Power

Es gibt nur wenige Bücher, die tatsächlich tief greifenden Einfluss auf mich haben. Ich lese viel und vergesse viel. Ein paar wenige Bücher motivieren mich aber dazu, tatsächlich etwas zu verändern. Das Buch, das ich hier vorstellen möchte, ist eines von ihnen. Es heißt „Wild Power. Dein Zyklus als Quelle weiblicher Kraft “ und wurde von Alexandra Pope und Sjanie Hugo Wurlitzer verfasst.

Ich hatte ja schon hier beschrieben, dass ich seit einigen Jahren eine östrogenfreie Pille ohne Unterbrechung nehme. Seitdem ich dieses Buch gelesen habe, habe ich erstmals seit Jahren wieder Lust darauf, einen Zyklus zu erleben und positiv zu beeinflussen bzw. mich durch ihn positiv beeinflussen zu lassen. Der weibliche Zyklus wird hier nicht nur aus rein biologischer Sicht geschrieben, sondern auch die emotionalen Prozesse nehmen Raum ein. Vor allem werden nicht nur rein negative Emotionen, zum Beispiel depressive Phasen im Zuge von PMS (= Prämenstruelles Syndrom) beschrieben. Der ganze Zyklus wird als eine Art Jahreszeiten-Kreislauf gesehen: Im Winter (der Menstruationszeit) zieht sich frau eher zurück, während im Sommer (der Eisprungzeit) Party oder zumindest Geselligkeit angesagt ist. In den vielen persönlichen Beispielen im Buch ist beispielsweise auch die Rede von Frauen, die ihren Monat nach ihrem Zyklus planen. Sie achten beispielsweise darauf, Feiern in die Eisprungzeit zu legen, weil sie ihnen in dieser Phase besonders gut tun.

Beobachten, was passiert

Um überhaupt soweit zu kommen, ist die Grundlage das sog. Menstruationszyklusbewusstsein, also die Zyklusbeobachtung. Es geht hierbei nicht um Bewertung, sondern um urteilsfreies Beobachten, welche Anzeichen und Gefühle in welcher Zyklusphase hervorkommen. Ganz wichtig ist die „rote Regel“, die besagt, dass jede Frau anders ist. Selbst wenn sich eine Frau während einer Phase komplett anders fühlt als alle ihre Geschlechtsgenossinnen, ist das okay und soll gewürdigt werden. Auch die individuellen Erfahrungen spielen eine große Rolle. Gerade die Rückzugsphase vor der Menstruation wird von vielen Frauen unterschiedlich empfunden, was auch damit zusammenhängt, dass extrovertierte und introvertierte Menschen Rückzugsphasen anders für sich bewerten.

Wenn frau dann ein Gefühl für einen Zyklus hat, versucht sie es idealerweise auch, danach zu leben. Hier liegt die Betonung auf idealerweise – denn natürlich hat eine Gesellschaft, die darauf ausgerichtet ist, dass man den überwiegenden Teil der Zeit ohne Einschränkungen funktioniert, wenig Verständnis für das, was oft abfällig als weibliche Launen eingestuft wird. Gerade über PMS werden trotz allem Mitgefühl auch Witze gemacht, so als ob wir Frauen uns einmal im Monat in verrückte Furien verwandeln würden. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass diese Launen zwar zum Teil biologisch bedingt sind, zum Teil aber auch durchaus begründet sein können. Durch die Rückzugsphase werden viele Erlebnisse der vorangegangenen Wochen Revue passiert und kritisch analysiert – verständlich also, dass an manchen Stellen die Wut oder andere negative Emotionen durchkommen. Als Beruhigung für alle mit wenig Zeit: Laut einigen Erfahrungsberichten reicht es oft schon, dem Körper zumindest 1 Prozent von dem, wonach es ihm verlangt, zu geben. Also sich zum Beispiel zumindest eine ruhige halbe Stunde in der Badewanne gönnen, bevor frau sich wieder dem Alltagschaos stellt.

Warum überhaupt?

Warum sollte frau sich jetzt diese ganze Arbeit machen? Viele Frauen in dem Buch berichten, dass sie insgesamt kreativer und effektiver sind, seitdem sie sich nach ihrem Zyklus richten. Sie schöpfen Kraft aus ihrem zyklusabhängigen Verhalten und sind mehr im Einklang mit sich selbst. Auch als Unterstützung, um herauszufinden, was möglicherweise unaufgearbeitete Themen sind, soll er hilfreich sein.

Als ich das Buch gelesen habe, hatte ich ein starkes Gefühl davon, dass in diesem Bereich extrem viel Wissen verloren gegangen ist. Ich habe jahrelang nur von den biologischen Prozessen gehört, aber wäre nie auf die Idee gekommen, mir die einzelnen Zyklusphasen zunutze zu machen. Weiter als vertrauliche Mädelsgespräche, wer wann Fressattacken hat oder was man bei Menstruationsbeschwerden macht, ging das Thema in meiner Vergangenheit nie. Ich habe Zyklus auch nie als etwas Positives gesehen, weil ich einmal im Monat grauenvolle Schmerzen hatte – womöglich habe ich die in Zukunft nach Absetzen der Pille wieder, aber womöglich werden sie besser, wenn ich tatsächlich mal auf meinen Körper und meine Bedürfnisse höre. Jedenfalls hat mir dieses Buch Lust gemacht, es nochmal mit einem natürlichen Zyklus auszuprobieren. Ich werde hier davon berichten und freue mich über jegliche Erfahrungen oder Tipps von euch.

P.S.: Bevor die Männer sagen, dass es wieder ein reines Frauenthema ist: Ich für meinen Teil finde es schön, wenn ich mich mit meinem Partner auf Augenhöhe unterhalten kann und für bestimmte Themen nicht erst extra nach einer Freundin suchen muss. Ganz abgesehen davon, dass ich es hilfreich finde, wenn auch der Partner ein gewisses Gespür dafür entwickelt, was mit mir passiert, und Zusammenhänge bemerkt, die mir selbst nicht auffallen.