Würg mich! – Lust im Graubereich

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photo credit: Joe Abbruscato via Flickr cc

Dieser Artikel ist einer von denen, die eigentlich ein Kampf waren. Es gab ursprünglich eine komplett andere Fassung, die konkrete Anleitungen zu den verschiedenen Arten des Würgens enthielt. Fachlich war er absolut unbedenklich, aber mein Bauchgefühl konnte sich nicht damit anfreunden, genau zu schildern, wie man einen anderen Menschen würgt. Denn so sehr ich das im BDSM-Kontext auch schätze, ist es selbst dort und v.a. auch überall anders eine extrem gefährliche Angelegenheit. Ich wollte nicht indirekt verantwortlich sein, dass irgendjemand es in einem falschen Zusammenhang anwenden oder falsch verstehen würde. Trotzdem hat mich das Thema nicht losgelassen, so dass es jetzt für alle Interessierten eine praxisärmere Variante gibt, die mich dafür nachts schlafen lässt.

Merken, dass man anders ist

Ich erinnere mich an einen Junggesellinnenabschied, bei dem wir Privacy gespielt haben und sich eine Frage darum drehte, ob Würgen ein No-Go sei oder nicht – die genaue Formulierung war sicher anders, aber ich erinnere mich nicht mehr an sie. Allerdings weiß ich noch, dass die vier anderen Teilnehmerinnen Würgen komplett ablehnten und ich die positive Antwort meinerseits vehement erläutert habe mit „Würgen kann auch Spaß machen!“. Ich habe dabei gemerkt, dass viele Menschen Würgen gar nicht unbedingt als Praktik im sexuellen, v.a. BDSM-technischen, Kontext auf dem Schirm haben.

Und natürlich – es zählt definitiv zu den gefährlicheren Techniken, weshalb es nicht für jeden und erst recht nicht für Anfänger empfehlenswert ist. Wer andere Menschen würgt, sollte in jedem Fall wissen, was er tut. Wer es es bei sich selbst anwendet, sollte keinesfalls allein sein, da autoerotische Asphyxie, so der Fachbegriff, tödlich enden kann. Es gehört bei mir zu den Praktiken, bei denen ich meine Partner stark „auswähle“. D.h. solange ich nicht sicher bin, dass mein Gegenüber wirklich weiß, was es tut, lasse ich mich nicht von ihm würgen. Bei anderen Techniken wie Hauen o.ä. bin ich da um einiges offener.

Wie es sich anfühlt

Was mir am gewürgt werden am meisten gefällt, ist die absolute Machtlosigkeit. Ich falle so ein bisschen in einen Überlebensmodus und fokussiere meine Aufmerksamkeit komplett auf mein Gegenüber und die Situation. Der Rest ist in diesem Moment unwichtig. Vielleicht wehre ich mich anfangs noch kurz, aber das drückt nur nochmal mehr den Wunsch des Überwältigt Werdens aus. Dann gibt es den Punkt, an dem wirklich der Überlebensmodus einsetzt – da höre ich (bzw. mein Partner) dann auch auf.

Eine kurze, nicht repräsentative Umfrage in meinem Freundeskreis hat ergeben, dass die dominanten Partner besonders die spezielle Reaktion ihrer Subs genießen, wenn diese in einen fast Trance-artigen Zustand fallen und sich plötzlich ohne Wenn und Aber unterwerfen. Es ist außerdem ein sehr klares Zeichen von Macht und Kontrolle, indem sie demonstrieren, dass sie etwas wirklich Essentielles regulieren können.

Wohin die Reise geht

Manchmal frage ich mich, wo das aufhört. Wenn man Techniken, mit denen man Menschen töten kann, im sexuellen Kontext anwendet, hat man dann eine weitere Grenze überschritten? Man könnte natürlich auch umgekehrt argumentieren, dass man wieder etwas aufgebrochen und die Schwarz-Weiß-Welt um eine weitere Grau-Nuance bereichert hat.

Ich weiß nicht, welches die richtige Art der Interpretation ist. An dieser Stelle fällt mir immer Nietzsche ein „Denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit“. Wahrscheinlich ist es genau das, was wir erleben wollen: vollkommene Lust. Dass wir auf logischer Ebene wissen, dass wir sie nie erreichen werden, hilft nicht. Insbesondere wenn man durch heftigere Techniken wie Würgen dem Himmel ziemlich nahe hinkommt. Wahrscheinlich ist das Einzige, was wir tun können, uns umso verantwortungsvoller zu verhalten, je heftiger wir spielen. Und uns bewusst zu machen, womit wir spielen.

Wer trotz aller Risiken mehr übers Würgen wissen möchte, dem sei Lady Julinas ausführlicher Atemkontrolle-Artikel auf Bound’n’Hit empfohlen.