Warum ich es hasse, bei intimen Begegnungen über meinen Job zu sprechen

Mehrere Menschen stoßen mit ihren Weingläsern an.
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Eine beliebte Kennenlernfrage bei Stammtischen, Partys, Blind Dates etc. ist leider die, was denn das Gegenüber beruflich so macht. Auf den ersten Blick vermeintlich unverfänglich, auf den zweiten leider gar nicht. Bei einer Netzwerkveranstaltung ist die Frage vollkommen okay, bei Begegnungen in (potenziell) erotischem Kontext finde ich sie schwieriger. Das hat mehrere Gründe:

Mögliche Identifizierung des beruflichen Ichs

Wenn ich jemandem auf beispielsweise einem BDSM-Stammtisch oder in einem BDSM-Forum kennenlerne, stelle ich mich in der Regel mit meinem Vornamen vor. Da wir uns in diesemZusammenhang treffen, ist meiner neuen Bekanntschaft klar, dass ich etwas mit BDSM am Hut habe, d.h. wir wissen von Anfang an etwas sehr Intimes über uns. Für den Fall, dass sich die neue Bekanntschaftals kompletter Idiot herausstellt, ist es dann sehr beruhigend zuwissen, dass diese nur meinen Vornamen kennt. Das funktioniert aber nur, wenn man das berufliche Thema ausklammert.

Mein Vorname ist immer noch recht selten und ich habe einen seltenen Studiengang studiert. D.h. wenn man meinen Vornamen und meinen Studiengang googelt, findet man mich. Mein Vorname und mein Arbeitgeber würden ebenfalls ausreichen. Wenn mich regelmäßige Bekanntschaften, denen ich vertraue, derartig zuordnen können, finde ich das völlig okay – mit einem Teil bin ich in der Tat auch auf Facebook befreundet. Aber muss diese Frage gleich in den ersten fünf Minuten eines Kennenlernens erfolgen? Dadurch mache ich mich zusätzlich angreifbar und das möchte ich in diesem Stadium der Bekanntschaft meist nicht.

Trennung von beruflich und privat

Abgesehen davon: Man muss nicht den Beruf einer Person kennen, um ein Gefühl für die Persönlichkeit eines anderen Menschen zu bekommen. Ob nun Lebenspläne, liebstes Urlaubsziel, skurrile Hobbys, schönstes Silvester-Erlebnis – all diese Fragen finde ich so viel besser als die nach dem Beruf.

Wahrscheinlich ist das auch in meiner persönlichen Biografie begründet, dass ich hier etwas empfindlich bin. Ich habe früh die Erfahrung gemacht, einige Monate arbeitslos zu sein. Wenn man während dieser Phase regelmäßig nach seinem Job gefragt wird, ist das nicht besonders schön, weil Arbeitslosigkeit gesellschaftlich nicht gut angesehen ist. Seitdem versuche ich, Job und Privates auch gedanklich so gut wie möglich zu trennen, damit ich nicht in ein Loch falle, wenn ich gerade keine Arbeit habe. Außerdem finde ich es tatsächlich immer etwas traurig, wenn ich das Gefühl habe, dass Menschen nur für ihren Job leben und sonst keine weiteren Themen in ihrem Leben haben. Wir haben alle Themen, die uns begeistern – bei einigen ist das tatsächlich auch der Job und das ist dann okay. Aber ich habe in der Tat ein Problem damit, wenn es nur der Job ist bzw. ich nur nach meinem Job gefragt werde.

Ich sehe im Zusammenhang eines BDSM-Stammtischs oder einer BDSM-Party auch tatsächlich keine Relevanz dafür. Natürlich ist es hilfreich, zu wissen, dass man eine*n Mediziner*in als Spielpartner*in erwischt hat, aber viel wichtiger sind doch hier die Erfahrungen, die jemand schon gemacht hat, die Vorlieben, die jemand hat, die Fantasien, die jemand verwirklichen möchte oder die Vorstellungen, die einen nachts nicht einschlafen lassen. Ich plädiere daher für intelligentere Fragen beim Kennenlernen – überlegt euch, was ihr vom anderen wirklich wissen wollt, ob sie die Strähnen im Haar selbst gemacht hat, ob er seine Grübchen mag, ob das Outfit nur schön oder auch bequem ist …es gibt so viele wichtigere Dinge über eine andere Person zu wissen als das, wo sie ihr Geld verdient.