Beziehungspflege und Fernbeziehungen

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photo credit: Martin Grill via Flickr cc

In meinem letzten Artikel Obsession und Hingabe habe ich über die Art von Hingabe geschrieben, bei der wir unsere Ressourcen anderen Personen widmen und schenken. Wenn es ohne Bedingung aus purem Spaß und reiner Lust geschieht, ist das die schönste Art und Weise der Beziehungspflege. Natürlich sind unsere Ressourcen begrenzt und es ist schwierig, wenn man mehrere Beziehungen hat, diese aufzuteilen. Diese Hingabe geschieht bei den meisten Menschen aus einem emotionalen Affekt heraus, während ich z.B. lieber versuche, meine Ressourcen kognitiv im Vorfeld zu planen. Wenn ich eine Liebhaberin nach einiger Zeit wieder treffe, wurde ich auch schon oft enttäuscht: Während ich meine Ressourcen mehrere Monate gespart habe und sie dann einsetzen wollte, als ich die Person sah, haben sich meine Liebhaberinnen in dieser Zwischenzeit schon oft durch die fehlende Beziehungspflege distanziert.

Wenn ich jemanden nach längerer Zeit wiedersehe, fällt es mir natürlich auch nicht leicht, dort anzuknüpfen, wo man zusammen zuvor stand. Aber sobald man ein paar Tage zusammen verbringt – seine Hingabe schenkt , kommen die Gefühle schnell wieder. Ich war noch nie ein Mensch, der anderen oft Nachrichten schreibt oder überhaupt Interesse hat, einfachen Small Talk zu betreiben, nur um in Kontakt zu bleiben. Diese fehlende Beziehungspflege von meinen Liebhaberinnen allerdings oft als mangelndes Interesse oder fehlende Bindung wahrgenommen. Dadurch habe ich schon Sätze gehört wie „Zuerst habe ich mich gefragt, warum ich überhaupt die weite Reise auf mich nehme. Aber dann habe ich dich auf dem Bahnsteig wiedergesehen und wusste, warum“ oder „Die Zeit, in der wir zusammen sind, ist nicht das Problem, sondern die Zeit dazwischen.“

Vielleicht denken sich jetzt einige Leser, dass ich halt nicht so viel rumheulen, sondern mich einfach für eine Liebhaberin entscheiden und dann auch in der Zeit zwischen den Treffen die Beziehung pflegen sollte – ja überhaupt das Problem doch gar nicht mehr bestünde, wenn ich die Zeit zwischen den Treffen durch weniger Partner verkürze. Konkret wurde ich sogar vor Kurzem von einer wichtigen Freundin gefragt, warum ich nicht mit einer meiner Liebhaberinnen (die anscheinend gut zu mir passen soll) eine Kloßbeziehung anfange. Mal abgesehen davon, dass diese Entscheidung immer von beiden Personen getroffen werden muss, ist das Problem ja nicht die Art der Beziehung. Die Verbindlichkeit für die Beziehungen ist ja von meiner Seite jeweils gegeben, nur verursacht meine Art und Weise, mit Liebe umzugehen, bei anderen Zweifel.

Ich empfand es bisher immer als anstrengend, wenn ich mit wichtigen Menschen regelmäßig nur über Telefon oder Skype Kontakt halten konnte. Für mich ist das eine halbherzige Beziehungspflege und macht mir deswegen auch nicht Spaß bzw. bereitet mir keine Lust. Natürlich könnte ich trotzdem mein Verhalten ändern und mich zwingen, regelmäßige Beziehungspflege zu betreiben. Nach meiner Erfahrung kann man irgendwann zu einem Menschen werden, den man zuvor nur gespielt hat. Was sich aber ab einem bestimmten Alter nie ändert, ist die grundlegende Art und Weise, wie wir denken und handeln – zumindest behaupten das Neurowissenschaftler. D.h. selbst wenn ich irgendwann Beziehungspflege mache, wäre es emotional nur wie ein Cargokult und würde nicht wirklich dazu führen, dass sich meineLiebhaberinnen durchgehend von mir geliebt fühlen.

Ich sage gerne, dass man Menschen nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten bewerten soll – aber in der Liebe sollte man doch der Bereitschaft auf Verpflichtung ein gewisses Vertrauen entgegen bringen, oder? Ich zweifle zwar manchmal auch, aber vertraue dennoch darauf, dass die andere Person an einer Bindung mit mir interessiert ist. Erst wenn diese Person etwas tut oder sagt, das in meinen Augen danach aussieht, kein Interesse mehr an mir zu haben, stelle ich diese Person zur Rede, um wieder Gewissheit zu bekommen – oder die Bestätigung für meine Zweifel.