Ist Authentizität schön?

Foto einer Kameralinse

photo credit: ssh via photopin cc

Vor ein paar Jahren habe ich mit meinem damaligen Spielpartner ein Foto-Shooting gemacht. Angenehmerweise nicht so, wie man es gewohnt ist, sondern immer wieder mit „Spiel-Einlagen“ zwischendrin. Dadurch war ich recht entspannt und die Fotos, die rausgekommen sind, waren auch ziemlich gut.

Als ich die Fotos im Anschluss einigen engen Freunden gezeigt habe, gab es einen klaren Favoriten: Das Foto, in dem ich unter der Dusche – nach dem eigentlichen Shooting – stand und auf dem mein Make-up verschmiert war, so dass es fast aussah, als würde ich weinen. Damals habe ich konkret erlebt, was ich schon einige Zeit vorher vermutet habe: In der BDSM-Szene finden einen andere nicht dann schön, wenn man toll gestylt ist, sondern wenn man man selbst ist und eventuell gerade etwas erlebt hat.

In etwas anderer Form habe ich das auch erlebt, als ich festgestellt habe, dass viele Partner mich einfach nur so nackt wie möglich sehen wollten. Mag sein, dass es ein spezifisch weibliches Merkmal ist, erstmal Bewunderung für die sexy Dessous zu erhoffen, bevor man sie auszieht, und meine männlichen Partner einfach keinen Sinn dafür hatten. Es kann aber auch sein, dass hier wieder das Authentizitätsbedürfnis durchkommt, also der Wunsch, den Partner ohne die übliche Maskierung zu sehen, als das, was er ist.

Das ist ein offensiver Umgang mit dem, was ich auch als Fotografin festgestellt habe: Wenn man eine Person ausführlich porträtiert, gibt es immer ein Foto, das man wunderschön findet, weil man die Person gerade dann getroffen hat, als sie sie selbst war (bzw. das, was man dafür hält). Dieser Moment, in dem die ganzen Schutz- und Verstellmechanismen weg sind, ist im Grunde der, auf den man hinarbeitet – in einem Shooting kommt es normalerweise auf natürliche Weise dazu, im BDSM-Bereich gibt’s „sanfte“ Unterstützung.

Ich denke, es gibt gar kein klassisches „das ist schön“. Natürlich gibt es bestimmte Schönheitsideale  und das alles, aber das hat keinen Einfluss darauf, was man tief in sich drin schön findet. Es hat in der Tat jeder persönliche Schönheitsideale, auf die ich vielleicht in einem extra Artikel einmal eingehen werde, während die angesprochene Authentizität eher eine Art universelles Schönheitsideal zu sein scheint. Etwas, das alle schön finden, wobei schön nicht das richtige Wort ist, aber unsere Sprache bisher kein besseres Wort hervorgebracht hat.

Warum finden wir Authentizität schön? Wahrscheinlich weil uns allen irgendwie bewusst ist, dass wir den ganzen Tag doch nur Rollen spielen und vorgeben, jemand zu sein, der wir nicht sind, und umso ehrfürchtiger reagieren, wenn jemand diese Rollen ablegt. Und weil man weiß, dass man auch mit verschmiertem Make-up oder Tränenspuren als attraktiv wahrgenommen werden kann und nicht sofort nach dem Spiel panisch zum Spiegel rennen muss.