Über Illusionen und zueinander passende Unterwäsche

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Manchmal trügt der schöne Schein. Man lernt jemanden kennen, auf einer Party, die Person ist hübsch hergerichtet – so weit, so gut. Dann trifft man sie im privaten Umfeld und plötzlich steht ein Jogginghose-tragendes Etwas vor einem. Bevor sich jemand angegriffen fühlt: Das kann einem auch bei mir passieren. Zwar gebe ich mir meistens Mühe, die Authentizität nicht überhand nehmen zu lassen, aber gerade gute Freunde dürften mich schon oft seeehr leger gekleidet erlebt haben.

Bequem und flexibel muss es sein

Woher kommt’s? Ein wichtiger Faktor bei mir ist Bequemlichkeit. Ich liebe es, in allen möglichen und unmöglichen Positionen auf dem Sofa abzuhängen oder auch mal spontan 10 Minuten Yoga einzulegen – mit einer engen Jeans klappt das nicht wirklich. Und weite Hosen sind schwer zu bekommen, weil die schon seit Jahren außer Mode sind. Hier ist mir dann auch ein bisschen egal, wie ich aussehe, weil ich Zuhause und im engen Freundeskreis die Ansicht vertrete, dass die Menschen mich als Person toll finden sollten. Nicht mich als hübsch gestyltes und hergerichtetes Sexsymbol. Seit ich das privat so locker sehe, macht es übrigens auch wieder viel mehr Spaß, sich zu Feiern oder Theaterbesuchen besonders zu stylen. Das gibt dem Event nochmal einen besonderen Charakter und hilft mir, mich darauf einzustimmen (siehe dazu auch Ich bin schön, ich bin es nicht, ich bin schön …)

Zueinander passende Unterwäsche? Fehlanzeige

Und mal ehrlich, wenn die Frage lautet „Wann tragen Frauen zueinander passende Unterwäsche?“, dann muss die ehrliche Antwort lauten „sehr selten“. Das hat nicht zuletzt ökonomische Gründe. Wenn man ein Höschen passend zum BH kauft, kostet das meist sehr viel mehr, als wenn man schwarze Höschen ohne Schnickschnack im Zehnerpack erwirbt. Daher habe ich meist nicht mehr als ein oder zwei richtig gut passende Höschen verfügbar. Da ich den BH meist aber länger als zwei Tage trage, passt ab Tag 3 das Höschen nicht mehr dazu. Wenn man sich in einer Tag-3-Phase also auszieht, ist es empfehlenswert, sich erst obenrum komplett freizumachen, bevor man die Hose öffnet. Oder man hofft, dass das Gegenüber viel zu sehr auf andere Aspekte fokussiert ist, um es überhaupt zu merken. Oder lässt den BH komplett weg, aber das muss man auch erst einmal mögen.

So, die große Frage ist jetzt aber: Wann fängt man damit an? Sollte man einen Menschen erst näher kennenlernen und zumindest ein bisschen an sich binden, bevor man ihm die Gammellook-Version seiner Selbst zeigt? Oder sollte man frühzeitig klarstellen, was Sache ist und jegliche ungeschminkte Wahrheit zeigen? Ich fahre in ein paar Tagen zu einer interessanten Person, mit der ich tendenziell im Bett landen werde und bei der ich genau vor dieser Zwickmühle stehe. Wir haben uns im Rahmen eines Events kennengelernt, ich war also – zumindest zeitweise – sexy-knapp gekleidet und untenrum rasiert. Jetzt tendiere ich zu bequemen Wochenend-Klamotten und getrimmt (viel weniger Hautreizungen als beim Rasieren! – siehe dazu auch Über die Möglichkeiten weiblicher Intimfrisuren). Außerdem ist es Winter und die ganzen sexy Outfits sind zu kalt. Trotzdem überlege ich, mich ein bisschen mit meinem Gastgeber abzustimmen. Je nachdem, wie sehr das Outfit Teil vom Kopfkino ist, ist es natürlich doof, wenn ich das versehentlich total boykottiere.

Wie viele Gedanken dazu sind zu viele?

Trotzdem gibt es hier so ein paar grundsätzliche Aspekte, die mich grummeln lassen: Warum mache ich mir überhaupt so viele Gedanken über Aussehen und Klamotten? Warum sind Frauen-Klamotten so oft unbequem oder zweifelhaften Trends unterworfen, während Männer-Kleidung unkompliziert und zeitlos ist?

Ich fände es hilfreich – dann würde das ganze Thema auch insgesamt unwichtiger werden –, wenn wir uns gegenseitig weniger nach dem Outfit beurteilen würden. Versteht mich nicht falsch – wenn sich jemand mit einem Kostüm Mühe gegeben hat oder jemand wirklich Spaß daran hat, sich kleidungstechnisch auszutoben, ist das super und darf gern gelobt werden. Aber ich behaupte jetzt mal, für den überwiegenden Teil der Menschheit ist die Wahl der Kleidung an den meisten Tagen eine lästige Notwendigkeit wie Kochen oder Abspülen. Sparen wir uns doch also die schiefen Blicke, wenn jemand nicht unserer Vorstellung entspricht. Und machen wir doch lieber Komplimente für die Gedanken, die jemand äußert, als gleich wieder zu lästern, wenn die Person zum vierten Mal in Folge in ihrem neuen Lieblingspulli auftaucht.