Eigenverantwortung in BDSM-Sessions

Eigenverantwortung ist heutzutage fast schon ein Buzzword geworden, das man bei vielen Beziehungsthemen anbringen kann. Gerade im Bereich Polyamorie ist oft die Rede davon, zum Beispiel wenn es um die Kommunikation von Eifersucht geht. Aber was heißt Eigenverantwortung in BDSM-Sessions? Ich schildere hier, was es für mich bedeutet.

In welchem Zustand spiele ich?

Ich führe vor jeder Session eine Art Selbst-Check durch. D.h. dass ich mir ein paar Minuten Zeit nehme und analysiere, wie es mir geht. Fühle ich mich unwohl? Gestresst? Krank? Ich spiele tatsächlich nur, wenn ich mich psychisch stabil fühle. Es gibt Tage, an denen man neben der Spur ist und sich selbst nicht versteht – eventuell ist mit vertrauten Menschen trotzdem ein Spiel drin, aber gerade bei neueren Beziehungen bin ich hier vorsichtig. Denn wenn es mir vorm Spielen schon nicht gut geht, finde ich es nicht ganz fair, mögliche Ausfälle bei einem Menschen zu provozieren, der noch überhaupt nicht weiß, wie er mit mir umgehen soll.

Bei körperlichen Krankheiten spiele ich manchmal durchaus (vgl. Woran man sich erinnert) – allerdings nur bei leichteren Erkältungskrankheiten. Inwieweit man da überhaupt spielen möchte, ist individuell sowieso sehr verschieden. Bei schwereren Krankheiten muss jede*r selbst einschätzen, ob BDSM-Spiele vertretbar sind oder nicht – hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zur Fairness gehört für mich aber auf jeden Fall dazu, dass ich vorher Bescheid gebe, wenn etwas nicht ganz passt. Also ob ich erkältet bin, Muskelkater oder womöglich sogar Tennisarm habe und deshalb mein Arm nicht belastet werden darf. Wenn ich Schmerzmittel nehme, vermeide ich Spielen, weil ich die Schmerzen dann u.U. nicht so intensiv wahrnehme, wie sie tatsächlich wirken.

Grenzen kommunizieren

Dass ich Reden unverzichtbar finde, habe ich schon öfter geschrieben (vgl. Spielen ist Silber, Reden ist Gold). In einer BDSM-Session finde ich es wichtig, das davor und danach zu tun und möglichst ehrlich (vgl. Bitte bitte ehrlich und keine höflichen Bemerkungen übers Wetter!). Aber ein weiterer Punkt geht oft unter, und zwar ist das die Kommunikation während der Session. Das ist nicht einfach, aber wird mit zunehmender Übung leichter. Neutrale Berührungen, die nicht erregen, aber auch nicht stören, kann man meinetwegen gern unkommentiert lassen. Aber wenn eine empfindliche Stelle erwischt wird, sollte man das sagen. Oder auch, wenn man sich unwohl fühlt, oder glaubt, dass etwas nicht passt.

Vielleicht sollte ich hier noch darauf hinweisen, dass man für kleinere Unstimmigkeiten nicht unbedingt sein Safewort verwenden muss. Man kann in einer Session auch wunderbar nonverbal kommunizieren: Knurren, entrüstet Maunzen, Quieken, sich Versteifen – hier steht einem eine ganze Palette an möglichen Reaktionen zur Verfügung. Mit denen hat der/die Partner*in viel mehr Chancen, die gemeinsame BDSM-Session zu einer schönen Zeit für die Beteiligten zu machen. Und da man nicht in andere Menschen hinein schauen kann, gehört es meinem Verständnis nach durchaus zur Eigenverantwortung dazu, zu signalisieren, wenn etwas nicht passt. (Sofern das möglich ist – Situationen, in denen man sein Safewort nicht ausdrücken kann, gibt es leider auch.)

Wie geht’s meinem Gegenüber?

Eigenverantwortung für Fortgeschrittene heißt meines Erachtens auch, dass ich meinen Spielmenschen ebenfalls im Blick behalte. Selbst wenn ich Bottom bin und mein Gegenüber mich toppt, ist es freundlich, ein gewisses Gespür für das Befinden des/der Anderen zu behalten. Oder von Zeit zu Zeit auch einfach mal auf die Frage „Geht’s dir gut?“ die Anschlussfrage „Dir auch?“ zu stellen. Oft rücken Menschen, wenn sie eine simple Frage wie diese gestellt bekommen haben, damit raus, dass ihnen eine bestimmte Sache noch unklar ist. Oder sie nicht ganz wissen, wie sie eine bestimmte Szene der vergangenen Minuten interpretieren sollen.

Ich finde die Wahrnehmung der Eigenverantwortung deswegen so unverzichtbar, weil nach meiner Auffassung jeder erwachsene Mensch für sich selbst verantwortlich ist. Natürlich sind wir alle geprägt durch unsere Gene, unsere Erziehung und unsere Erfahrungen. Aber all diese Aspekte kann kein*e BDSM-Spielpartner*in kennen und einkalkulieren. Wir müssen für uns selbst sorgen, weil wir diejenigen sind, die das am besten können. Klar gibt es in BDSM-Sessions oft jemanden in einer Rolle, in der er/sie die Führung übernimmt. Erfahrungsgemäß bemühen sich diese Menschen auch wirklich sehr darum, dass es Bottom gut geht, und sind sich ihrer Verantwortung bewusst – hellsehen können sie aber trotzdem nicht. Daher finde ich, man sollte es seinem Gegenüber einfach so leicht wie möglich machen: Sagen, wie es einem gerade geht, was einen beschäftigt, warum man heute nicht abschalten kann, welche Stellen sich total unangenehm anfühlen … und ihm damit außerdem die schöne Möglichkeit eröffnen, einen selbst mit jedem kleinen Hinweis ein bisschen besser kennenzulernen.