Mein Schlampen-Gen

Foto einer Steinplatte mit kopulierenden Menschen

photo credit: David Tubau via Flickr cc

Und schwupps, plötzlich hört man auf, sich Gedanken zu machen, was andere von einem denken. Natürlich nicht gänzlich, aber wenn die Bedürfnisbefriedigung entsprechende Wichtigkeit erlangt hat, eben schon. Ich spreche davon, dass ich auf der letzten BDSM-Playparty recht schnell mit jemandem, den ich bis dahin etwa eine Stunde kannte, in einem der Spielräume verschwunden bin. Es war dann auch für mich etwas überraschend, dass mir das keine Probleme oder Ängste bereitet (hat).

Ich hatte es zugegebenermaßen darauf angelegt. Oder zumindest erhofft. Denn bei mir herrschte zu diesem Zeitpunkt schon länger Flaute und entsprechend unbefriedigt war ich. Daher fühlte es sich auch nicht komisch an, als es dann passierte. Kein langes Nachdenken, sondern gegenseitiges Vortasten, das sich in diesem Moment genau richtig anfühlte. Und hinterher ging es mir besser. Eine gewisse Grundbefriedigung war wieder da, die mir in den Tagen zuvor abgegangen war.

Voraussetzungen für ein spontanes Spiel

Im Gespräch mit Freunden im Anschluss stellte sich heraus, dass diesen eine solche Aufgeschlossenheit um einiges schwerer fällt als mir. Das betrifft sowohl den Vertrautheits- als auch den Sicherheitsaspekt. Bei mir ist es so, dass ich neue Menschen recht schnell einsortiere, ob sie vertrauenswürdig sind oder nicht. Die detaillierte Einordnung kann sich im Nachhinein zwar immer noch ändern, aber bislang lag ich nie falsch, wenn es um die Wahl meiner Spielpartner ging. Daher hatte ich ein gewisses Grundvertrauen in meine Fähigkeit, mir einen passenden Partner auszusuchen, der keine komischen Sachen abzieht.

Ein weiterer Aspekt, den ich zwar nicht bewusst einbezogen habe, der aber sicher eine Rolle gespielt hat, war das Umfeld. Bei einer Playparty ist man relativ abgesichert, weil man um Hilfe schreien kann, wenn etwas passiert, was man nicht möchte (am besten geeignet für diesen Hilferuf ist „Mayday“, vgl. Die Regeln der Lust). Klar, Voraussetzung dafür ist, dass man nicht geknebelt ist, aber das macht man dann eben auf Playpartys mit neuen Partnern nicht.

Warum stört es mich nicht?

Dass sich hier eine Grenze verschoben hat, ist an sich nichts Neues. Wenn ich mich jetzt frage, warum mir das überhaupt keine Probleme (mehr) bereitet, fallen mir mehrere Aspekte ein: Ein Faktor ist sicherlich der Erfahrungswert, dass man auf Szene-Veranstaltungen Leute schnell intim kennenlernen kann, ohne hinterher blöd angeschaut zu werden. Das erleichtert vieles ungemein und ermöglicht es, seinen Instinkten einfach mal freien Lauf zu lassen.

Ebenso wichtig ist, dass ich meine Neigung und meine Bedürfnisse akzeptiere bzw. akzeptieren kann. Wenn ich erst mal scharf bin, mache ich eine ganze Menge mit. Das war am Anfang immer noch mit etwas „Hui …“ verbunden, aber mittlerweile weiß ich eben, dass das so ist. Normalerweise wird Erregung bei mir durch eine intime Situation erzeugt, aber sie schlägt eben auch durch, wenn ich auf Partys oder Szene-Veranstaltungen gehe, auf denen eine gewisse Vorfreude in der Luft liegt – knappe Outfits, Spielgeräte etc. Ich nenne diesen Aspekt mein „Schlampen-Gen“: Schlampe ist hier nicht abwertend gemeint, sondern bezeichnet jemanden, der im passenden Moment seine sonstige Zurückhaltung über Bord wirft und sich holt, was sie braucht.

Dieser letzte Punkt spielt eng zusammen mit meinem Wissen und meinen Erfahrungen. Ich weiß, was ich wann und wie brauche. Was mir gut tun würde. Worauf ich Lust hätte. Und dank zunehmender Erfahrung weiß ich auch, dass es am meisten bringt, diese Bedürfnisse früher oder später zu befriedigen. Natürlich ist es möglich, sie zu unterdrücken, aber wenn man das dauerhaft macht, schadet das meiner Erfahrung nach irgendwann der Balance. Ich betreibe daher Selbstsorge und habe ausreichend Erfahrung, um das so zu tun, dass nichts Schlimmes passiert. Vielleicht könnte man das Schlampen-Gen auch als innere Stimme bezeichnen, aber das passt einfach nicht zu den versauten Ideen, die es vorschlägt ;-).