Warum ich keinen Sex in Sexclubs haben kann

Heute morgen habe ich mit meinem schwulen Mitbewohner unseren gemeinsamen Ausflug in einen Sexclub reflektiert. Das Skurrile war nämlich, dass ich eigentlich sehr positiv überrascht war, wie attraktiv die Besucher aussahen. Dadurch, dass Halloween war, war auch die Atmosphäre sehr angenehm. Dennoch konnte ich keine Erektion während unseres Besuches bekommen. Erst als wir in unserem sicheren Zuhause angelangt waren und ich mit meinen sexuell aufgeladenen Gedanken alleine war, war ich entspannt genug, um sexuell stimulierbar zu sein. Leider mehr als mir lieb war, so dass mich erotische Gedanken noch die ganze Nacht wach hielten.

Warum ist das aber so?, fragte ich mich. Klar muss auch ich ein paar kleine Ängste – z.B. die Angst abgelehnt zu werden – überwinden. Aber ins Gespräch mit Frauen zu kommen, ist trotzdem kein Problem mehr für mich. Manchmal muss man einfach nur seinen Gedanken lauschen, die einem zeigen, warum man das Objekt seiner Begierde nicht ansprechen will. Und Objekt ist hier genau der richtige Begriff, denn mit folgendem Gedanken konfrontierte ich meinen Mitbewohner: „Ich möchte Frauen nicht das Gefühl geben, nur ein sexuelles Objekt zu sein“.

Generell ist das – da sind wir uns hoffentlich alle einig – ein guter Gedanke und auch mein Mitbewohner musste eingestehen, wenn man sich im öffentlichen Raum befindet, dass man sich so verhalten sollte wie ich. Dagegen hielt er das einleuchtende Argument, dass die Menschen, die in einen Sexclub gehen, sich selbst dazu entschieden haben, für diesen  Abend nur ein sexuelles Objekt zu sein. Wenn er in einen schwulen Sexclub geht, findet er es sogar falsch, wenn es dort Männer gibt, die nur zum Schauen gekommen sind und generell jeden Mann ablehnen, der sich an sie heranmacht. Deswegen hat er natürlich kein Problem, jeden Mann, der ihm gefällt, dort zum Sex aufzufordern. Wenn sich diese Männer durch sein Verhalten nachhaltig degradiert fühlen, sollen sie sich eben nicht in ein Etablissement begeben, von dem bekannt ist, dass diese Spiele dort stattfinden.

In dem Sexclub, in dem wir waren, hatte ich den Eindruck, als wäre den Menschen dort sehr bewusst, dass es nur ein Spiel ist. Aber angenommen (als eins von vielen Beispielen, die es natürlich auch bei Männern gibt) die Frau, die ich anspreche, hat ein neurotisches Problem mit Sex und geht nur deswegen in einen Sexclub, um sich selbst mit dem Sex zu bestrafen. Schüre ich dann nicht ihre Krankheit? Sollte ich nicht für mein Verhalten Verantwortung übernehmen und es dann besser sein lassen? Sicher, mit so einer Denke nehme ich die Entscheidung dem anderen Menschen vorweg – ja entziehe ihm sogar die Mündigkeit, ohne mein Wissen die richtige Entscheidung treffen zu können.

Mein Mitbewohner konnte mich beruhigen. Aus seiner Erfahrung sind Menschen, die nicht in der Lage sind, vernünftiges Verhalten an den Tag zu legen, sehr selten in Sexclubs – kein Wunder bei dem eher gehobenen Altersschnitt. Er glaubt, ein reflektierender gesunder Mensch könne normalerweise erkennen, wenn die andere Person verrückt ist. Allerdings kann ich auch keine Gedanken lesen und habe vielleicht zu hohe Ansprüche, immer alles richtig machen zu wollen, so dass ich dann am Ende manchmal gar nichts mehr mache. Ich weiß, es ist überheblich über andere Menschen zu urteilen. Man muss aber auch seinen Mitmenschen die besten Möglichkeiten bieten, sich gesund entwickeln zu können, und dafür ist ein respektvoller Umgang mit diesen Personen bzw. ein entsprechendes Umfeld nötig. Versteht mich nicht falsch, es geht mir dabei nicht darum, jemanden, der sich selbst kaputt macht, zu retten, sondern mich selbst nicht mit-schuldig zu machen an seinem Untergang!

Mit einem abschließenden Satz konnte mein Mitbewohner das letzte Wort haben: „Du glaubst die anderen Menschen sind verrückt. Aber vielleicht bist du es, der verrückt ist?“